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Kultur: Black Christmas

Weihnachtszeit – Zeit der Liebe, des Schenkens, der Harmonie und der familiären Eintracht. Damit in Tagen wie diesen die Gefühlsduselei nicht überhand nimmt, dafür gibt es Menschen wie Oliver Pietsch .

Weihnachtszeit – Zeit der Liebe, des Schenkens, der Harmonie und der familiären Eintracht. Damit in Tagen wie diesen die Gefühlsduselei nicht überhand nimmt, dafür gibt es Menschen wie Oliver Pietsch . Mit dem 1972 in München geborenen Videokünstler hat die New Yorker Galerie Goff + Rosenthal ihre Berliner Dependance eröffnet, und was der 34-Jährige dort zeigt, ist als Antidot gegen jedwede Sentimentalitäten bestens geeignet. Um Pietsch’ Arbeit kurz zu charakterisieren: Eine seiner Lieblingsbeschäftigungen scheint die Auseinandersetzung mit dem Thema Selbstmord zu sein. Dazu hat er die Filmgeschichte der letzten fünfzig Jahre nach Szenen durchforstet, in denen sich die Protagonisten freiwillig vom Leben zum Tode bringen. Dabei herausgekommen sind zwei jeweils knapp fünfminütige Filme, die sich auf gängige Methoden konzentrieren: das Sich-eine-Kugel-in-den-Kopf-jagen („Domin, Libra Nos“) und das Sich-in-die-Tiefe-stürzen („May be not“, Preise auf Anfrage). Außerdem präsentiert Pietsch bei Goff + Rosenthal – frei nach dem Bestseller des Philosophen Bertrand Russell – sein Opus magnum, das Video „The Conquest of Happiness“. Auch in dem 45-Minüter praktiziert Pietsch das Found-Footage-Prinzip, nur dreht sich diesmal alles um Drogen: Kokain, Crack, Heroin, LSD, Alkohol, Marihuana. Ein leicht manisches Gemüt, dieser Pietsch, aber natürlich erschöpfen sich seine atmosphärisch ungeheuer dichten Arbeiten nicht in der persönlichen Obsession. Sein Menschenbild ist rabenschwarzer Realismus: Entweder Selbstauslöschung oder Betäubung, anders gibt es bei ihm keine Erfüllung, keinen Ausweg (Brunnenstraße 3, bis 30. Dezember) .

Die Suche nach Glück und wo das enden kann, darüber hat sich auch der junge Schweizer Fotograf Raffael Waldner so seine Gedanken gemacht. Waldner stammt aus Zürich, was sich in seinem Werk auf spezielle Weise widerspiegelt. Zupass kommen ihm außerdem anscheinend recht gute Kontakte zur Züricher Polizei, Waldner hat sich nämlich darauf kapriziert, „verunfallte“ Luxuswagen zu fotografieren. Da steckt, wer hätte das gedacht, viel Konsumkritik drin. Aber das ist längst nicht alles, wär ja auch etwas langweilig. Worum sich Waldner bemüht, ist das Verwischen der Spuren, um jenen Moment einzufangen, in dem aus der Zerstörung etwas Neues entsteht. Waldner verwendet ein sehr kurz einstelltes Blitzlicht. Das bewirkt, dass der Hintergrund seiner Bilder in der Galerie Spielhaus Morrison (Heidestraße 46, bis 13. Januar) fast ganz schwarz wird, während sich der Blechsalat im Vordergrund mit seinen merkwürdigen plastischen Wucherungen der Abstraktion annähert (1500 – 7500 Euro). Wenn man dann meint, die Dinge erkannt zu haben, springt die Wahrnehmung schon wieder zurück auf Anfang, ins Ungewisse.

Ulrich Clewing

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