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Kultur: Bleiregen

fragt nach der Bedeutung des Betrachters Der Galerist Jan Winkelmann hat die Beliebigkeit von Kunstkommentaren auf den Punkt gebracht. Anlässlich der gerade eröffneten und sofort ausverkauften Schau mit Glasmalerei und Smiley-Skulpturen von Plamen Dejanoff (Brunnenstraße 185, bis 29.

fragt nach der Bedeutung des Betrachters Der Galerist Jan Winkelmann hat die Beliebigkeit von Kunstkommentaren auf den Punkt gebracht. Anlässlich der gerade eröffneten und sofort ausverkauften Schau mit Glasmalerei und Smiley-Skulpturen von Plamen Dejanoff (Brunnenstraße 185, bis 29. Oktober) schreibt er im Ausstellungsblatt: „Die Kontextualisierung des Werkes wird von der Fantasie des Galeristen bestimmt. Interpretationen sind nichts weiter als beliebige Anekdoten und lösen den Vorrang des Einzigartigen und Wahrhaftigen auf.“ Damit formuliert er den stillen Konsens von Vermittlern in Boom-Zeiten. Wie bei Rorschach-Tests steht alles zum Belieben des Betrachters.

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Bei solcher Sachlage riecht es schon wie Luft von anderem Planeten, wenn man in der Galerie Atle Gerhardsen sieht, dass der New Yorker Carroll Dunham mit seiner Doppelgängerfigur dem Betrachter den Rücken zuwendet (Holzmarktstraße 15–18; bis 22. Oktober). Man blickt einem lonesome cowboy über die Schulter. Er streift durch zugemüllte Straßen, lässt die Atmosphäre der Asphaltliteratur der Zwanzigerjahre als Cartoon auferstehen, wirft seine Zigarette in den Rinnstein und zielt mit der Pistole auf fliegende Plastiktüten, die unversehens auf dem Gemälde kleben. Die Deutungsvorgabe der Galerie will ihn zum Umweltpolizisten machen; aber auf Luftverschmutzung kann man nur in Bildern und Kalauern schießen: Bleiregen (Preise ab 6000 Euro).

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In der Galerie Jarmuschek + Partner steht der Betrachter dann in den Aluminiumspiegelungen von Berit Myreboe wieder an herausragender Stelle (Sophienstraße 18; bis 22. Oktober) . Die Malerin kopiert Fotografien auf matt spiegelnde Träger und der Betrachter sieht sich in der Tiefe des Schattenraums als flüchtige Erscheinung in der Landschaft oder neben einem Frauenportrait (Preise auf Anfrage). Körper und Bild sind eins. Die eindeutig erotischen Qualitäten wechseln mit Licht und Reflektion – und sind tatsächlich ein Spiel zwischen Zufall, Einbildungskraft und Tatbestand des Bildes. Doch in keiner Weise beliebig.

Peter Herbstreuth

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