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Kultur: Blick aus 10 000 Metern Höhe

Pamela Rosenberg in der American Academy

Die erste Frage der Moderatorin Eleonore Büning hat sich Pamela Rosenberg natürlich auch gestellt: Brauchen die Berliner Philharmoniker überhaupt einen Intendanten? Die schwierige dreijährige Zwischenzeit, nachdem der glücklose Vorgänger Franz Xaver Ohnesorg 2002 das Orchester auf dessen Wunsch verlassen hatte, haben die „Philis“ geradezu bravourös gemeistert. Dennoch: Für den „Blick aus 10 000 Metern Höhe“, die langfristige Planung, sowie für Fragen der Identität und Ausstrahlung sehe sie als Intendantin durchaus Bedarf, so die ehemalige Leiterin der San Francisco Opera, die seit sechs Wochen ihr Arbeitszimmer am Kemperplatz bezogen hat. „Die Philharmonie ist nicht der Magnet, der sie sein könnte“, diagnostiziert sie beim Kamingespräch mit der Musikredakteurin der „FAZ“ in der American Academy. Das Problem sei das Kulturforum überhaupt, das die Chance, ein Zentrum des Nichtkommerziellen als Gegengewicht zum Potsdamer Platz zu bilden, verspielt habe. Auch die Planungen des Senats zur künftigen Umgestaltung werden daran nichts ändern, prophezeiht sie: Es seien „fehlgeborene Ideen“.

Stattdessen entwirft die Amerikanerin, die zehn Jahre lang Kodirektorin der Stuttgarter Oper war und immer wieder deutsche Worte in ihren Vortrag flicht, ihr Szenario eines „offenen Hauses“ für die Philharmonie: Lunchtime Concerts, Workshops mit nichteuropäischen Musikern, türkische oder afrikanische Musik am Abend, und: ein Restaurant. Nicht unbedingt neu, das alles. Die Muschel des Scharoun-Baus für Nicht-Klassikfans und jüngere Besucher zu öffnen, haben schon viele vor ihr versprochen. Der „Einschüchterungsfaktor“ bleibt bestehen.

Wichtiger vielleicht, dass Rosenberg, nach ihren Erfahrungen in Amerika, ein Hohelied des deutschen Subventionssystems singt: Während in den USA aus Angst vor Besuchereinbrüchen und wirtschaftlichem Druck kaum Experimente gewagt werden, ist man in Deutschland, auf der Basis einer abgesicherten Existenzgrundlage, mutiger, experimenteller, aufgeschlossener. Oper in den USA sei Entertainment, ein teurer Kunstgenuss, zumal die Inszenierungen selten gezeigt würden und lange Laufzeiten hätten: Sie selbst habe 1996 in San Francisco noch dieselbe Inszenierung der „Meistersinger“ gesehen wie als Studentin 1964.

Der viel gerühmte Bürgersinn der Amerikaner, die Subventionssummen von unter einem Prozent durch Spenden ausgleichen, sei vor allem eine Folge des anderen Steuersystems. Bis in Deutschland das Steuersystem geändert werde, werde man hier keine ähnlichen Erfolge bei der Suche nach potenten Mäzenen haben. Dafür jedoch, so Pamela Rosenberg, hat man hier die Chance, zwischen verschiedenen Häusern und Inszenierungen wählen zu können. „Ohne solche Vielfalt stirbt die Kunst.“ Ihr Wort in der Politiker Ohren.

Christina Tilmann

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