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Kultur: Blick zurück am Zaun

Israels Schutzwall im Dokumentarfilm „Mauer“

Eine lange Kamerafahrt entlang einer fröhlich-bunten Bilderfolge. Die Betonelemente des Maluntergrunds dürften Berlinern vertraut sein. Doch diese Mauer ist gerade erst im Bau. Und sie ist größer als der „antifaschistische Schutzwall“, ausgestattet mit Radar und klimatisierten Wachttürmen. Dafür klingt der Name bescheidener: „Sperrlinie“ oder „Zaun“ nennt der Herr aus dem israelischen Verteidigungsministerium den 50 Meter breiten bewehrten Betonwall, der die Israelis vor palästinensischen Terroristen schützen soll: „Man muss ja nicht ideologisch werden“, sagt er. Vielleicht würden in Zukunft ja auch weniger Traktoren geklaut.

Der Titel von Simone Bittons Dokumentarfilm Mauer ist also programmatisch zu verstehen. Vor ideologischen Sackgassen schützt die in Marokko geborene Regisseurin schon ihre Mehrfachidentität als Französin, Araberin und Jüdin. Auch in ihrem Film stehen arabische Stimmen neben hebräischen: Die Fanatiker beider Seiten kommen nicht zu Wort, stattdessen palästinensische Bauarbeiter, enteignete Bauern, israelische Familienväter, Wachturmkonstrukteure.

Und Technokraten: Besagter Ministerialbeamter, den die Regisseurin – oder war er es selbst? – am Schreibtisch zwischen zwei Flaggen mit dem Davidsstern postiert hat. Meist steht der zur Drehzeit noch im Bau befindliche „Zaun“ mit Baggern und Bulldozern für sich selbst. Denn die Sicherheitsanlage zerstört nicht nur Existenzen, sondern auch eine historische Landschaft mit – immer noch – existierenden Resten grenzüberschreitender Verbindungen. Und damit auch ein Stück möglichen Friedens. Bittons Film macht diesen Verlust in langen Einstellungen spürbar: eine Elegie auf vertane Chancen. (OmU, im Eiszeit, Hackesche Höfe, Neue Kant Kinos)

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