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Kultur: Blick zurück nach vorn

Was sich Berliner Intendanten von einem neuen Kulturstaatssekretär erhoffen.

Mit selten einträchtigem Bedauern reagiert Berlins Kulturszene auf den Rücktritt von Kulturstaatssekretär André Schmitz. Eines wird in den Äußerungen auch deutlich: Die geeignete Nachfolgerin oder der geeignete Nachfolger ist nicht leicht zu finden. In der Berliner SPD drängt sich niemand auf. Wir haben nachgefragt, welche Persönlichkeit sich die Verantwortlichen der Berliner Kultureinrichtungen für die Zukunft wünschen.

Dietmar Schwarz, Intendant der Deutschen Oper Berlin, wurde von Schmitz aus Basel nach Berlin geholt. Seit 2012 leitet er das größte Opernhaus der Stadt. Schwarz wünscht sich einen Blick, der über die Grenzen der Stadt hinausgeht: „Der nächste Kulturstaatssekretär oder die neue Kulturstaatssekretärin sollte sich an erster Stelle in der Kultur mit Herzblut zu Hause fühlen: Denn nur für das, was man liebt, kann man sich wohl mit Verve einsetzen. Dabei wäre Begeisterungsfähigkeit für die unterschiedlichsten Kunstformen wünschenswert, und da kein Mensch alle Bereiche gleich gut kennen kann, gehört ein großes Maß an Großzügigkeit dazu, um auch neuen Pfaden zu folgen und sich auf Unbekanntes einzulassen. Neue Verbindungen und Kooperation zu stiften, nicht nur im eigenen politischen Umfeld zu schmoren und weit in die Ferne hinaussehen zu können, sind ebenfalls hervorragende Qualitäten für einen Kulturmenschen. Und natürlich könnte die Berliner Kulturpolitik auch von jemandem profitieren, der mit dem Blick von außen kommt – zumindest sollte die Suche nicht an der Stadtgrenze enden.“

Shermin Langhoff, Intendantin des Maxim Gorki Theaters, kam vom Ballhaus Naunynstraße, aus der Freien Szene. Dort hat sie mit geringen Mitteln viel bewegt auf der Kreuzberger Hauptstadtbühne. Mit „Verrücktes Blut“ schaffte es eine ihrer Produktionen bis zum Berliner Theatertreffen. Vergangenen November eröffnete sie ihre erste Gorki-Spielzeit mit einem türkisch-deutschen „Kirschgarten“ nach Tschechow. Shermin Langhoff hofft auf Kontinuität in der Berliner Kulturpolitik: „Berlin verliert mit André Schmitz einen außerordentlich guten Kulturpolitiker. Die Kultur unserer Stadt braucht weiterhin eine Persönlichkeit, die jenseits von Erfahrung mit Politik eine große Kompetenz und Kenntnis der kulturellen Entwicklungen der Metropole Berlin mitbringt – und sich mit Leidenschaft in einer Bandbreite von Oper bis Off-Theater, von Schlössern bis Stadtteilkulturzentren engagiert. Eine zentrale Voraussetzung für diese Arbeit bleibt auch in Zukunft die Wahrnehmung und das Bekenntnis zur Internationalisierung Berlins sowie der Einsatz für Teilhabe angesichts der evidenten gesellschaftlichen Themen Migration und Diversität.“

Das Maxim Gorki Theater und seine Themen lagen Schmitz am Herzen. Stolz war er auch auf die Berufung der belgischen Theater- und Festivalleiterin Annemie Vanackere ans Hebbel am Ufer. Schwer war das: eine Nachfolge für Matthias Lilienthal zu finden, der das HAU gegründet und zu internationalem Erfolg geführt hat.

Annemie Vanackere ist jetzt in ihrer zweiten Spielzeit, und es ist ihr gelungen, das HAU behutsam zu verändern. Wie denkt sie über die Berliner Kulturpolitik? „Es ist schön, wenn ein Kulturstaatssekretär den Mut hat, seiner Intuition zu folgen. Genau in dieser Weise hat André Schmitz sein Amt leidenschaftlich ausgefüllt und geprägt. Diese Erfahrung habe ich selber immer wieder mit ihm gemacht.“

Von Andre Schmitz, sagt Annemie Vanackere, „kann man lernen, dass es in der Kulturpolitik nicht darum geht, sich Sachen am Tisch auszudenken, die kaum Bezug zur Realität haben. Das geht meistens schief. Es ist wichtig, ein Gespür dafür zu haben, was sich bewegt. Um das herauszufinden, muss man auf Künstler und Programmmacher zugehen, auf Tendenzen und Bedürfnisse reagieren können. Grundsätzlich wünsche ich mir eine Kulturpolitik, die in ihrem Gegenstand mehr sieht als nur einen Agenten einer vornehmlich von Wirtschaftsinteressen geleiteten Standortpolitik. Dazu gehört auch ein Verständnis für andere Arbeitsweisen und Ästhetiken.“ Tsp

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