zum Hauptinhalt

Blinde Wut: Was motiviert Islam-Hasser im Internet?

Angriffe auf den Islam und Menschen muslimischen Glaubens im Internet nehmen zu. Sie lassen sich längst nicht mehr als Erscheinung des rechten Randes abtun. Wie reagiert man angemessen auf einen "Shitstorm"?

Naika Foroutan, Politikwissenschaftlerin an der Berliner Humboldt-Universität, sieht sich immer häufiger mit polemischer Kritik konfrontiert. Die Leiterin eines Forschungsprojektes zu europäischmuslimischen Identitätsmodellen solle sich "schämen, sich in einem Land einzumischen, welches Ihnen Bildungsmöglichkeiten erschlossen hat", schreibt eine Monika K. aus Bielefeld. "Wenn Sie krawallig sein wollen, gehen Sie bitte dahin, wo Sie keinem Deutschen etwas zuleide tun können."

Die massenhafte Entrüstung im Netz, mit dem 2011 zum Anglizismus des Jahres gekürten Begriff Shitstorm angemessen rüde beim Namen genannt, lässt sich längst nicht mehr als Erscheinung des rechten Rands abtun. Über "Hassfluten im anonymen Raum. E-Mails, Leserbriefe und Kommentare an Menschen, die das Thema Islam in Deutschland streifen" wurde am Freitag im Rahmen der von Foroutan geleiteten Jungen Islam Konferenz in Berlin debattiert. Yassin Musharbash, Redakteur bei "Spiegel Online", erreichen an manchen Tagen bis zu dreitausend Online-Kommentare, die ihn unter anderem als "Erntehelfer nach Afghanistan" schicken möchten. Oft gehen die Verfasser solcher Unflätigkeiten in unverhohlen rassistische Beschimpfungen über. Es sind, so Denhart von Hartling, der sich als Sprecher der Berlin Biennale für die geplante Kunstaktion "Deutschland schafft 'es' ab" übel beschimpfen lassen musste, erstaunlich gut organisierte "Manifestationen des Hasses".

Der Befund scheint eindeutig: Eine von Abstiegsangst verunsicherte Mittelschicht ringt um die Deutungshoheit darüber, wer und was deutsch sein darf. So erklären sich auch die simplen Dichotomien der Hassmails. "Wer in Europa leben will und unbedingt einen Gott haben will", fordert der Betriebswirt Armin P., "der soll dem Islam/Koran abschwören und Christ werden. Alle anderen sollen aus Europa verschwinden." Von diffusen Bedrohungsgefühlen getrieben, ziehen sie ihre Motivation aus dem Gefühl, dass "ihnen etwas weggenommen" werde, so Özlem Topçu, Politik-Redakteurin der "Zeit". Sie wollten zeigen, "wer der Herr im Hause ist". Am meisten verstört die gelungene Integration, die zeigt, dass es sowohl deutsch als auch muslimisch gibt.

Wie aber reagiert man angemessen auf einen Shitstorm? Wie vermeidet man Überreaktion und Wegschauen? Die Fronten seien, so Musharbash, "total verhärtet". Die Autoren der Hassmails reagierten reflexhaft und "in blinder Wut" auf Reizwörter und wüssten "manchmal gar nicht, worauf genau sie so sauer sind". Veysel Özcan, Referent des Grünen-Chefs Cem Özdemir, bekennt, er lasse sich auf Gespräche, deren Ergebnis von vornherein feststehe, gar nicht mehr ein. Topçu hält dagegen, "mittelkrasse Sachen" beantworte sie auch weiterhin. Es helfe, wenn man "genauso zurückballert".

Andreas Pflitsch

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false