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Blondie-Sängerin Debbie Harry im Berliner Tempodrom.

© Davids

Blondie in Berlin: Rosen mit Lametta

Blondie geben im mittelmäßig besuchten Berliner Tempodrom ein kurzes, munteres Konzert.

Sie singt, aber nichts ist zu hören. Buhhh! Die Anlage versagt, der Mischer kriegt es nicht hin. Fehlstart. „Wir fangen noch mal an“, sagt Debbie Harry. Beim zweiten Versuch kann man sie und den Song dann verstehen: „One Way Or Another“ dröhnt etwas vermatscht aus den Boxen. Natürlich nimmt niemand Blondie diesen Holperbeginn krumm. Schließlich entstammt die Band der antiperfektionistischen Punk- und New-Wave-Szene New Yorks. Drummer Clem Burke trägt traditionsbewusst ein Shirt des legendären Clubs CBGB.

Die Technik ist auch sonst nicht auf der Seite der Band, die zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder in Berlin ist. Die Videowand zeigt nach ein paar Minuten nur noch eine Art Bildschirmschoner mit weißer Animation auf schwarzem Grund. Das Licht bleibt den ganzen Abend gleich, kein Blinken, kein Flackern, nur blaues Leuchten hinten und rosa Spot vorne. Aber wer braucht schon Bühnenzauber – da vorne steht Debbie Harry! Platinblonder Pagenkopf, Discodirndl mit lustigem Monsteraufdruck, Lamettamanschette am Handgelenk. Die demnächst 69-jährige Sängerin ist super gelaunt an diesem Abend im nur mäßig besuchten Tempodrom. Sie tänzelt munter umher, erzählt, wie schön sie die Stadt findet und, dass die Band von ihrer neuen, deutschen Plattenfirma zum Essen eingeladen war. "Wir haben gegessen wie Schweine", sagt sie.

In den höheren Lagen hat Harrys Stimme etwas an Kraft eingebüßt. Manchmal mogelt sie ein bisschen, wirkt dabei aber total sympathisch. So überlässt sie den zweiten Refrain von „Maria“ einfach dem Publikum und huscht durch den letzten irgendwie durch. Mitunter hat sie es schwer, gegen den Alarm-Sound der fünfköpfigen Band anzukommen. Der Keyboarder könnte sich etwas zurücknehmen, schließlich spielt Schlagzeuger Burke stets an der Grenze zur Hyperaktivität, und Blondie-Neu-Gitarrist Tommy Kessler trumpft im breitbeinigen Rockstarmodus auf. Der in Schwarz gekleidete, sonnenbebrillte Chris Stein neben ihm ist kaum einmal richtig zu hören. Hat der Blondie-Mitbegründer, der ohne Plektrum spielt, ausnahmsweise doch mal die Führungsrolle, wird es wie bei „Atomic“ gleich packend – mit dem markanten Surfmotiv bringt er Bewegung in den Saal. Am Ende bisschen Gas geben und fertig.

Blondie lassen "Rapture" in einen Beastie Boys-Song übergehen

Man ahnt immer wieder, welche Energie diese Band zu ihrer Glanzzeit Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger freisetzen konnte. „Call Me“ und „Hanging On The Telephone“ knallen sie hintereinander weg. Dann kommt „A Rose By Any Name“ vom aktuellen zehnten Album „Ghosts Of Download“. Eigentlich eines der stärkeren Stücke auf der Platte, mag es live trotz des wuchtigen Boom-Tschak- Beats vom Band nicht recht zünden.
In ihr nur knapp 80-minütiges Set mischen Blondie vier Songs von „Ghosts Of Download“, was etwas überproportioniert erscheint – zumal bei einer Jubiläumstour zum 40. Bandgeburtstag und den vielen Hits in ihrem Repertoire. Einige davon waren Cover wie „The Tide Is High“ und „Denis“, die beide leider nicht auf dem Programm stehen. Dafür lassen Blondie „Rapture“ in „(You Gotta) Fight for Your Right (to Party!)“ von den Beastie Boys übergehen – ein Verweis auf ihre New Yorker Wurzeln und ihren Beitrag zur Hip-Hop- Historie. „Rapture“ war ja der erste Song mit Rap- Elementen, der in den USA Platz eins der Charts erreichte. Ihre Stilvielfalt beweisen Blondie auch auf der neuen, Dance- Pop mit Latin- und Reggae-Einflüssen vermischenden Platte, von der „Rave“ mit seinem Stampfbeat im Tempodrom noch am besten funktioniert. Erinnert ein wenig an Garbage, und wenn Harry fröhlich „On the road to ruin one more time“ trällert, macht dieser Trip richtig Spaß.
Nach vier Zugaben ist Schluss. Draußen ist es noch nicht mal richtig dunkel. Punkrock ist das nicht mehr. Aber egal: Debbie Harry war in Berlin.

Update: In einer früheren Version dieses Textes stand, dass es beim Essen mit der neuen, deutschen Plattenfirma Schwein gegeben habe. Richtig ist aber, dass die Sängerin sagte: "Wir haben gegessen wie Schweine."

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