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Kultur: Bloß kein Filmriss

Bevor die Streifen laufen, müssen sie zur Kontrolle

Bodo Müller

FILMPRÜFER

Ich bin einer der ersten Menschen, die die Filme der Berlinale in den Händen halten. Denn bevor ein Film auf dem Festival gezeigt wird, muss er auf seinen technischen Zustand überprüft werden. Ich checke die Kopien, die im Wettbewerb laufen. Die Filme kommen in mehrere Rollen unterteilt bei mir an; ein neunzigminütiger Film hat in der Regel fünf Rollen. Pro Film erreichen uns zwei Kopien: eine Originalversion für die Pressevorführungen und eine Synchronfassung für die Publikumsvorstellungen. Oftmals sind auch noch Sicherheitskopien dabei.

Normalerweise klebt man die verschiedenen Filmrollen mit einem Klebeband zu einer großen Spule zusammen. Da kleben und auseinander trennen aber eine Weile dauern, wird es auf der Berlinale anders gemacht: Man lässt die Rollen nacheinander auf zwei Vorführgeräten laufen. Damit die Übergange nahtlos bleiben, markieren wir Anfang und Ende jeder Rolle mit einer Spezialkreide, die der Filmvorführer nicht übersehen kann, wenn er eine Filmrolle in den Projektor einlegt. Diese Markierungen sorgfältig anzubringen, ist meine wichtigste Aufgabe. Außerdem beschriften wir die Rollen und kleben den Festivaltrailer und die Verleihmarken ein.

Während die Filmrollen an meinem Tisch umrollen, lasse ich die Bänder durch meine Finger gleiten. Ich merke dann sehr schnell, ob ein Film irgendwo beschädigt ist und eine neue Kopie erstellt werden muss. Wenn sich das Material rau oder uneben anfühlt, dann ist sehr wahrscheinlich auch das Bild nicht in Ordnung. Die Wettbewerbsfilme laufen meistens als Premieren und kommen frisch aus dem Kopierwerk. Die Kopien sind sozusagen jungfräulich und so gut wie nie beschädigt. Das Material ist übrigens kein Zelluloid mehr, sondern Polyester. Es brennt nicht und ist reißfest.

Es interessiert mich eigentlich überhaupt nicht, was für einen Film ich jeweils in der Hand halte. Ob es der neue Film von George Clooney ist oder nicht – egal.

Es ist aber trotzdem faszinierend, dass eine Rolle aufgewickeltes Polyesterzeug eine so große Faszination erzeugen kann. Ist ja schon kurios, wie Film durch ein simples technisches Verfahren lebendig wird. Meine Arbeit für die Berlinale beginnt schon Anfang Dezember, wenn ich der Auswahlkommission Filme vorführe. Zurzeit bin ich täglich zwölf Stunden beschäftigt. Die meisten Filme bereite ich aber gar nicht für die Vorstellungen vor, sondern für den wachsenden nichtöffentlichen Teil der Berlinale. Dort schauen sich Filmhändler die Filme an, und es wird mit den Filmrechten gehandelt.

Aufgeschrieben von Philipp Lichterbeck

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