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Kultur: Bloß nicht mitsingen

Statt abzuliefern nerven die Goldenen Zitronen lieber. Das Publikum im Lido liebt die Hamburger Band dafür.

„Abliefern“, der Begriff aus der Castingshow-Welt ist immer öfter zu hören. Erfolg hat, wer erwartungsgemäß abliefert. Die Goldenen Zitronen aus Hamburg machen sich nun schon seit bald 30 Jahren gegen diese Mentalität stark. Einen Moment lang waren sie damals richtig erfolgreich, seitdem hadern sie mit sich selbst. Statt abzuliefern, nerven sie lieber – mit Absicht.

Auch bei ihrem Auftritt im ausverkauften Berliner Lido tun sie alles dafür, dass sich im Publikum niemand zu wohl fühlt und auf keinen Fall Mitklatschreflexe ausgelöst werden. Die sechs Männer in den Vierzigern von Deutschlands letzter ernstzunehmender Politrockband knödeln sich durch die Songs ihrer aktuellen Platte „Who’s Bad“. Und das bedeutet: kein Mitsingrefrain, dafür nervtötend abgehackte Gitarrenriffs, perkussives Dauerfeuer von gleich zwei Schlagzeugern und eine kreischende Hammondorgel unter Starkstrom. Atemlos singt, spricht, kunstrappt und keucht sich Schorsch Kamerun durch einen schwer verständlichen Textbrei. Erst kurz vor der Zugabe beginnt die Band, auch mal ans Publikum zu denken, packt alte Gassenhauer und Hits aus. Darunter auch „Das bisschen Totschlag“, in dem es um die Ausschreitungen des deutschen Mobs in Lichtenhagen und Mölln Anfang der Neunziger geht, um den ganz normalen Ausländerhass in diesem Land. Nein, eine Band mit einem derartigen „Greatest Hits“-Programm muss sich keine Sorgen darum machen, irgendwann auch einfach nur abzuliefern. Andreas Hartmann

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