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Kultur: Blues aus B.

Wehklagendes Comeback: das neue Album von Laub

Man spielt ihn nicht nur, den Blues, sondern man hat ihn. Man bringt durch ihn seine Seele zum Klingen und schüttet in ihm sein Herz aus. Wie konnte es passieren, dass ausgerechnet diese Jammermusik alter Männer den Weg zu der Elektronikband Laub aus Berlin gefunden hat? Deren neues Album „Deinetwegen“, das dieser Tage nach über fünf Jahren Pause ziemlich unvermutet erscheint, ist vom Blues durchtränkt. Dominierendes Instrument ist eine Slidegitarre, die nicht wie sonst üblich in der elektronischen Musik tausendfach verfremdet wurde, sondern so rein und ungeschliffen wehklagen darf, als läge Berlin am Missisippi-Delta. Und damit es auch wirklich keine Missverständnisse mehr gibt: Derjenige, der da gleich am Anfang der Platte röhrt, als wäre seine Frau gerade mit seinem eigenen Bruder durchgebrannt, ist niemand anderes als ein gesampelter John Lee Hooker.

Das Berliner Duo, das zeitweise zu einem Trio anwuchs, im Wesentlichen aber immer aus der Sängerin Antye Greie und dem Gitarristen mit dem Künstlernamen Jotka bestand, galt vor gut zehn Jahren als erste Band, die den damals angesagten Trip Hop, sanft-melancholischen Elektropop, für den Tricky oder Portishead standen, unter Verwendung deutscher Texte adaptierte. Die Mischung aus nervösen Beats und Antye Greies verrauchtem Sprechgesang klang innovativ. Oder aber, je nach Standpunkt: nervtötend. Im Ausland wurden Greies Textexperimente, ihr ungeschminktes Verarbeiten von Beziehungen, von Liebe und Schmerz, wenn man so will: von recht typischen Bluesthemen, viel wohlwollender als in Deutschland aufgenommen. Unter ihrem Künstlernamen AGF feierte die Sängerin in den letzten Jahren als Sprachkünstlerin und Elektronikproduzentin auch solo vor allem außerhalb des deutschsprachigen Raums Erfolge.

Der Blues kam, bevor er zu Laub kam, vor ein paar Jahren erst mal zu Jotka, der inzwischen hauptsächlich als Graphik- und Sounddesigner arbeitet. „Ich war zu der Zeit angenervt von elektronischer Musik, ich konnte sie einfach nicht mehr hören“, sagt er, in einer Fruchtbar im Prenzlauer Berg vor seinem Vitamindrink sitzend. „Die Musik gab mir total viel. Das Rohe am Blues interessierte mich, dass man die Fehler hört und wie einer mit dem Fuß den Takt klopft.“ „Ich habe mit Blues erst mal nichts zu tun gehabt“, erzählt hingegen Greie. „Jotka kam plötzlich an und meinte, er möchte eine Bluesplatte aufnehmen. Wenn du das stark fühlst, habe ich zu ihm gesagt, finde ich das geil und dann machen wir das.“

Wir sind keine Bluesmusiker und können auch keine reine Bluesplatte aufnehmen, wir können den Blues nur für unseren Alltag interpretieren“, sagt Jotka. Und dieser Alltag spielt sich eben nicht irgendwo in den Südstaaten ab, sondern größtenteils in Büros im Prenzlauer Berg. Auch der kann natürlich trostlos sein. Wenn Antye Greie im neuen Stück „Tofu“ vom stupiden Beantworten von E-Mails und vom sinnlosen Herumtelefonieren singt, dann klingt da der Blues durch, echter Berlinblues.

„Deinetwegen“ von Laub ist bei AGF Production/MDM erschienen.

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