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Kultur: Blues hat einen Namen

B.B. King verabschiedet sich mit einem bewegenden Konzert in Berlin

Der Saal eins des ICC springt aus den Sitzen. „Ladies and gentlemen: The King Of The Blues, B.B. King!“ Stehende Ovationen für den großen Bluesmann im eleganten silbrig glänzenden Jackett. Er lächelt, während er sich seine schwarze Gibson ES-335, die er „Lucille“ nennt, umhängt und es sich auf einem Stuhl im Zentrum der Bühne bequem macht. Lässt ein paar Töne übers Griffbrett rollen, kleine Aufwärmfingerübung. Rückt sich das Mikrofon zurecht und erzählt, dass er nächste Woche 81 Jahre alt werde, dass er diesen Job jetzt schon seit 60 Jahren mache und dass er glücklich sei, dass seine Fans auch heute wieder gekommen sind. „I need you so to keep me happy“, singt er mit warmer Stimme, fest und zerbrechlich zugleich. B.B. King befindet sich auf Abschiedstour. Er will nur noch in seiner Heimat öffentlich auftreten. Das Nomadentum hat ein Ende.

Daher der melancholische Ton, den seine Gitarre immer schon ausstrahlte, nun auch er selbst. Ein langsamer Blues. Vielleicht sei in seinem Alter jetzt der Zeitpunkt erreicht, wo er die Dinge etwas langsamer angehen sollte, hatte er vorher noch in einer lockeren Presserunde erzählt. Und dass er in Zukunft mehr Zeit haben wolle zum Schreiben und zum Angeln. Und dass er wieder ein bisschen im Studio arbeiten wolle.

B.B. King spielt noch einmal wilden Boogie-Woogie und lässt die Band swingen, gibt seinen Begleitmusikern viel Raum für ausgedehnte Improvisationen. Tenorsaxofon, Baritonsaxofon, zwei Trompeten, Bass, Hammond B3, ein weiterer Gitarrist. Und ein Schlagzeuger, der etwas zu laut ist. Überhaupt ist es sehr laut: charmant altmodische Jazzband mit Heavy-Metal-Pegel.

Mit bescheidenem Stolz erzählt B.B., dass Bono von U2 den nächsten Song für ihn geschrieben habe: „When Love Comes To Town“. Und er gibt den heftigen Soul-Shouter. Mit einer unglaublichen Kraft in der Stimme. Und macht ein lustiges Tänzchen im Sitzen. „Gute Übung für einen 80-Jährigen!“ Er lacht.

Ach, diese jungen Leute haben ja keine Ahnung. Wenn die ihm sagen, für einen 80-Jährigen sähe er aber noch verdammt gut aus. Was meinen die denn, wie 80-Jährige normalerweise aussehen? „I’m a bluesman, but I’m a good man, understand?“ Er singt das so bewegend, dass einem die Tränen kommen. Und alle verstehen: Ja, dieser Mann ist ein guter Mann, ein aufrichtiger, ein freundlicher Mann. Und als Bluesmann hat er ohnehin den größten Respekt verdient.

In einem herzzerreißenden „Slow Blues“ zeigt er noch einmal, warum er zum größten Vorbild aller jüngeren E-Gitarristen geworden ist, von Eric Clapton, über Jeff Beck, Jimmy Page, Peter Green, Mick Taylor, Mike Bloomfield undundund. Die wunderbare Technik des Saitenziehens, die sich B.B. in den vierziger Jahren als Erster angeeignet hatte und die heute zur Grundausstattung jedes Lead- Gitarristen gehört. Das Hochschieben einer Note um einen Halb- oder einen Ganzton, das der Bluesmann dem Pedal- Steel-Klang der Countrybands abgelauscht hatte. Sein „Sustain“, der lange stehende Ton. Sowie sein gefühlvolles Finger-Tremolo, das diesen unverwechselbaren, zarten Singsang hervorbringt. Wie eine menschliche Stimme: ein Weinen, ein Lachen, Kreischen, Schreien, Jubilieren. B.B. lässt die Gitarre singen und sprechen. Im Wechsel mit seinen vielen charmanten Geschichten. Über seine Liebe zur Musik und zu den Frauen und, ja, über das Älterwerden, das ihm nicht leicht zu fallen scheint und das er dennoch mit Humor und Gelassenheit erträgt. Er erzählt von den Augenoperationen, so was sei nicht schön. Aber immerhin habe es auch im Krankenhaus schöne Frauen gegeben, die ihm die Hand hielten und die er anschauen konnte.

Er ist ein Mann des Südens, einer, der von Legenden zehrt und Geschichten überliefert, die vom Leben, seinem Leben erzählen und davon, was es bedeutete, ein schwarzer Baumwollpflücker und Traktorfahrer im Süden der USA gewesen zu sein. Dergleichen beschreibt B.B. King auch in seiner wunderbaren Autobiografie „Ein Leben mit dem Blues“, deren deutsche Übersetzung gerade neu vom Palmyra Verlag aufgelegt wurde.

Nachdem sich B.B. King mit seinen großen Hits „Rock Me Baby“, „How Blue Can You Get“ und „The Thrill Is Gone“ sowie zwei Stunden unwiderstehlicher Musik von seinen Berliner Fans verabschiedet, mischt sich auf beiden Seiten etwas Wehmut in die Freude über einen bewegenden Abend.

Werden wir B.B. King in Europa wirklich nicht wiedersehen?

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