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Kultur: Botticelli zieht immer

Der neue Direktor des Berliner Kupferstichkabinetts über die Jagd auf Besucher und Sammler

Herr Schulze Altcappenberg, Sie sind seit drei Monaten Direktor des Kupferstichkabinetts. Wenn es gut geht, haben Sie eine Amtszeit von 15 Jahren vor sich. Was wollen Sie erreichen?

Einmal geht es darum, das Kupferstichkabinett intern zu einem modernen Betrieb zu machen. Ein großes Thema ist die Erfassung unserer Bestände in einer digitalen Datenbank. Dazu läuft gerade ein Pilotprojekt der Staatlichen Museen, und idealerweise sind irgendwann alle Bestände zentral einsehbar. Das zweite große Ziel ist, das Kupferstichkabinett zu einem Zentrum zeitgenössischer Diskussion zu machen. Wir haben die einmalige Chance, mit einem Fundus von 1000 Jahren Bild und Mediengeschichte in den aktuellen Diskurs eingreifen zu können. Mein Traum ist es, als verbindendes Element zwischen allen Berliner Museen zu wirken.

Die Lage des Kupferstichkabinetts am Kulturforum ist nicht gerade glücklich. Wenn diskutiert wird, ob die Gemäldegalerie wieder auf die Museumsinsel – oder ins wiederaufzubauende Stadtschloss – ziehen soll: Ist das auch eine Option für das Kupferstichkabinett?

Die Anfänge des Kupferstichkabinetts liegen im Stadtschloss. Der Name Kupferstichkabinett kommt daher, dass es früher ein der Bibliothek angegliederter Kabinettraum war, wo man Kupferstiche und andere grafische Werke sehen konnte. Zwischenzeitlich waren wir im Monbijou-Schloss und im Neuen Museum. Wir sind immer gewandert, haben kein festes Haus, das wir reklamieren könnten. Und da wir Werke aus über 1000 Jahren Kunstgeschichte haben, gehören wir eigentlich überall hin: zur Antikensammlung, zur Alten Nationalgalerie, zur Neuen Nationalgalerie, zum Hamburger Bahnhof und natürlich zur Gemäldegalerie. Unsere Objekte sind der Kitt zwischen den anderen Museen.

Das klingt eher nach unterstützender Funktion. Gleichzeitig hat das Kupferstichkabinett mit Ausstellungen wie dem von Ihnen kuratierten Dante-Zyklus von Botticelli auch das große Publikum erreicht. Gibt es ähnliche Pläne auch für die Zukunft?

Die Botticelli-Ausstellung mit ihren 270000 Besuchern in Berlin, Rom und London war eine Ausnahme. Aber natürlich wollen wir an solche Erfolge anschließen. Wir planen als Nächstes, Zeichnungen von Mathias Grünewald weltweit zusammenzutragen. Das sind nicht besonders viele, wir allein besitzen schon die Hälfte. Grünewald ist ein sehr exzentrischer Zeichner, das wird bestimmt spektakulär. Ein Thema, das mir auch sehr am Herzen liegt, ist die Pop Art. Sie ist der letzte Höhepunkt der Druckgrafik.

Wie gelingt es Ihnen in Zeiten eingeschränkten Leihverkehrs überhaupt noch, größere Ausstellungen auf die Beine zu stellen?

Bei größeren Projekten ist man inzwischen auf Kooperationen angewiesen. Wir können zur Zeit keine Ausstellung machen, wenn nicht wenigstens der Katalog durch Drittmittel finanziert ist. Als ich vor zehn Jahren hier anfing, war das noch anders: Da setzte man sich einmal im Jahr zusammen und füllte dann Formulare zur Bedarfsplanung aus: Soundsoviel für Kataloge, soundsoviel für Werbung etc. Das wurde dann genehmigt, und damit hatte man Planungssicherheit. Damals kam man gar nicht auf die Idee, sich Partner zu suchen. Ich sehe es durchaus als sinnvolle Herausforderung, auf die Suche nach finanzstarken Partnern gehen zu müssen . Das gilt übrigens auch für die Ankäufe, denn unser Etat ist offiziell auf Null gesetzt.

Wie sieht es mit den konservatorischen Vorgaben aus? Papier ist empfindlich, und wenn Sie verstärkt auf internationalen Austausch setzten, gefährdet das die Werke auch stärker.

Unsere Vorgaben sind schärfer geworden. Heute gibt es bessere Technik, was Lichtfilter und Entspiegelung angeht. Bislang gab es immer die Faustregel, dass man Arbeiten auf Papier drei Monate im Jahr bei normalen Ausstellungsbedingungen präsentieren kann. Aber die Ausstellungszeiten haben sich verlängert, und dann kommen noch die Putzkolonnen hinzu. Inzwischen hat man gemerkt, dass die morgens um fünf mit der Arbeit anfangen, das Licht voll aufdrehen, und wenn dann um zehn das Publikum kommt, wird es auf fünfzig Lux heruntergedimmt. Wenn man da stärker aufpasst, kann man mit den Leihzeiten auch etwas raufgehen.

Früher gehörte die Fotosammlung, die nun bei der Kunstbibliothek angesiedelt ist, zum Kupferstichkabinett. Die Pläne, alles in ein Zentrum für Fotografie zu übertragen, sind vorerst ausgesetzt. Sind Sie als Direktor des Kupferstichkabinetts an der Diskussion beteiligt?

Sagen wir, als Zuhörer. Das Deutsche Centrum für Photographie liegt ja in unmittelbarer Nachbarschaft. Zur Zeit ist die Planung in der Tat etwas heruntergeschraubt, aber ich glaube nicht, dass das schon das Ende ist. Da kommt noch was.

Ihr Vorgänger Alexander Dückers hatte sich besonders um die Kunst des 20. Jahrhunderts bemüht. Sie kommen aus der alten Kunst. Werden Sie die Moderne als Priorität beibehalten?

Wir werden sogar noch einen Schritt weiter gehen. Der Kunstbegriff hat sich stark erweitert. Da müssen wir den Anschluss finden. Schwierig ist es mit den Erwerbungen, da wird man sich eher um komplette Sammlungen bemühen, als mit einer gefüllten Tasche die Galerien oder großen Messen abzuklappern und Einzelstücke zu erwerben. Das ist ein Privileg, das mein Vorgänger noch hatte, und das heute so nicht mehr besteht.

Das heißt, Sie sind auf die Zusammenarbeit mit Sammlern angewiesen?

Sammler sind als Partner natürlich heiß begehrt. Es ist ja nur ein kleiner Kreis, und letztlich ist es die Entscheidung des Sammlers, wohin er seine Schätze gibt. Aber da haben wir als Deutschlands größte grafische Sammlung gute Karten. Wir haben in letzter Zeit die Sammlungen Soldan und Marzona, die zu einem Teil ins Kupferstichkabinett kommt, hinzugewonnen, wir hüten die Sammlung Welle und als Dauerleihgabe die Sammlung Scharf. In nächster Zeit werden wir, wenn alles gut geht, eine bedeutende Sammlung altniederländischer Grafik erhalten, die eine der schmerzlichsten Kriegslücken füllt. Und mit jeder Sammlung kommt eine Personengeschichte ins Haus. So erinnern wir gerade in einer Ausstellung an Adolf von Beckerath, den wichtigsten Zeichnungssammler der Gründerzeit in Berlin.

Das Gespräch führten Ulrike Nürnberger und Christina Tilmann. Die Sammlung Beckerath ist ab Sonnabend im Kupferstichkabinett zu sehen.

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