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Kultur: Brandenburger Tor: Vorsicht, Farbe!

Ob weiß, Café au lait oder steinsichtig, das ist längst nicht mehr die Frage. Zwar darf derzeit per Münzeinwurf oder Internet über eine genehme Farbgebung für das Brandenburger Tor abgestimmt werden.

Ob weiß, Café au lait oder steinsichtig, das ist längst nicht mehr die Frage. Zwar darf derzeit per Münzeinwurf oder Internet über eine genehme Farbgebung für das Brandenburger Tor abgestimmt werden. Doch bei dem vom Schinkel-Zentrum der Technischen Universität Berlin und dem Landesdenkmalrat veranstalteten Kolloquium über "Denkmalpflege am Brandenburger Tor. Restaurierung und Wirkung" wurde zumindest eines deutlich: Das auch unter Bauhistorikern und Restauratoren umstrittene Thema eines Anstrichs nach historischem Vorbild - der marmorweißen Kalkfarbe von 1791 waren innerhalb weniger Jahrzehnte dunklere Fassungen gefolgt, ehe man seit den 1920er Jahren den nackten Sandstein präparierte - tritt hinter tiefgreifende konservatorische Probleme zurück.

Im Klartext: Bei begleitenden naturwissenschaftlichen Untersuchungen der durch die Telekom gesponserten Restaurierung ist unlängst festgestellt worden, dass die bis zu 150 am Tor verbauten Sandsteinvarietäten nicht allein durch Umwelteinflüsse, sondern auch durch frühere Reparaturen weitaus stärker beschädigt sind, als bislang angenommen wurde. Der Eintrag diverser Mittelchen aus der Wunderküche der Chemieindustrie, Abteilung Steinrestaurierung, hat zu einer "Überfestigung" der äußeren Hülle und der Bildung einer mürben Gesteinsschicht dahinter geführt.

Die neu entdeckten Schäden erinnern an zu dick aufgetragenes Make-up, dass das wahre Alter bestenfalls verdeckt. Irgendwann platzt die falsche Pracht einfach ab - etwa wenn durch den Autoverkehr weiter unkontrolliert Wasser in das Mauerwerk eindringt. Ein moderner versiegelnder Anstrich verschärft diesen Effekt noch, eine nach historischem Rezept aufgebrachte Kalkschlemme würde beim heterogen gealterten Untergrund nach wenigen Jahren fleckig und unansehnlich sein. Ein Dilemma, das einer Vorentscheidung gleicht: So hat man hinter der bunten Plane stillschweigend damit begonnen, die Ergänzungen an Säulen und Reliefs so zu retuschieren, dass ein deckender Anstrich überflüssig wird.

Die seit einem Jahr laufenden Maßnahmen zielten zunächst neben der statischen Ertüchtigung der Fundamente und der die Quadriga tragenden Attika vorrangig auf die Oberflächenreinigung mittels Laser- und Sandstrahltechnik. Bedingt durch das work in progress von Forschen bei gleichzeitigem Bauen musste bereits mehrfach der Umfang der Arbeiten - so beim Austausch von Ergänzungen - beträchtlich erweitert werden.

Berlins ehemaliger Landeskonservator Helmut Engel, als Geschäftsführer der Stiftung Denkmalschutz Berlin Bauherr am Tor, steht unter enormem Erfolgsdruck. Was als Schönheitsreparatur begann, droht unversehens zur denkmalpflegerischen Großbaustelle zu mutieren. Engels Ziel, so gründlich zu arbeiten, dass künftig nur kontinuierliche Pflege nötig ist, muss an den Vorgaben des Senats scheitern: Bis zum 3. Oktober 2002 sollen die Gerüste fallen, wie der für ein Viertelstündchen anwesende Peter Strieder erneut bekräftigte.

So blieb Engel nichts anderes übrig, als seinen Rückzug in die rhetorisch luftige Formel vom "prozesshaften Vorgang der Weiterbeschäftigung mit dem Brandenburger Tor" zu kleiden. Offen blieb, ob er damit die berechtigte Forderung nach einem detaillierten Pflegeplan oder nur künftige Reparaturen der eigenen Restaurierung meint.

Der Tag der Einheit ante portas: Auch wenn der Patient bald wieder repräsentieren muss, wird er noch lange nicht genesen sein.

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