zum Hauptinhalt
Eva Suskova singt und Matus Velas spielt auf der Oboe

©  Peter Dörrie

Brandenburgische Sommerkonzerte: Mond und Magie

Barocke Arien vor malerischer Kulisse: Die Cappella Istropolitana im Rahmen der Brandenburgischen Sommerkonzerte zu Gast im Schlosspark von Stechau

Auf dem Land haben Zitate noch einen Sinn. „Natur wird erst göttlich durch die Verbindung mit der harmonischen Kunst“, schrieb Friedrich Hölderlin, der einige Jahre als Privatlehrer bei der Familie Gontard in Frankfurt am Main angestellt war. Einer anderen Linie der hugenottischen Familie gehört das Rittergut Stechau im damals schon beinahe menschenleeren Elbe-Elster-Land gewirkt hat. Es ist kein Zufall, dass die Brandenburgischen Sommerkonzerte in jedem Jahr hierher zurückkommen: wo das malerische Schloss in Blutrot vor der Nacht erstrahlt, der Mond freundlich durch die düst’ren Wolken herunterwinkt, während rundherum ein pausbäckiges Gewitter tobt; wo die Grillen zirpen und unter hohen Baumwipfeln entlang eines hochromantischen Parkteichs mehr als 2000 Menschen lustwandeln, um dabei zu sein, wenn sich an der frischen Luft die Natur zur Kunst vollendet.

Selbstverständlich ist es vor allem diese symbiotische Beziehung, ein nicht mehr auffindbar geglaubtes Idyll, fast eine unwirklich Szenerie, die das Publikum in den geradezu magischen Schlosspark lockt. Längst sind es nicht mehr nur Berliner, die auf Landpartie gehen: Stechau ist der Beweis, dass das Festival im Gastgeberland angekommen ist, die alljährliche „Open-air-Gala“ ist ein Muss für die Bewohner des Landstrichs.

Dabei darf man den Mut der völlig privatwirtschaftlich organisierten Brandenburgischen Sommerkonzerte nicht unterschätzen, höchstwertige Kultur zu implantieren in die platten Niederungen einer echten Provinz, deren ohnehin schon magere kulturelle Infrastruktur von der Landesregierung immer weiter ausgedünnt wird. Vor einem so riesigen Publikum eine Barockgala zu planen, deren Anspruch kaum einmal hinter Bachs „Matthäuspassion“ zurückfällt, ist ein Wagnis, das sonst kaum ein Veranstalter auf sich nimmt. Hier leisten die Sommerkonzerte seit jeher Pionierarbeit. Das Programm der aus Bratislava entsandten Capella Istropolitana, mehrfach preisgekrönt für ihre Aufnahmen, reiht denn auch keineswegs einen Barockhit an den nächsten.

Es schmiegt sich lieber der eher romantischen, in sich versunkenen Kulisse an: Wie Eva Šuškova hier Händels berühmte Alcina-Arie „Mio cor“ singt, bringt auch die barockfernen Zuhörer zur Rührung. Ihre erdige, fast mütterliche Tiefe macht manche kehlige Höhe wieder wett, und ihr eher dramatischer Sopran passt erstaunlich gut zu der sonst eher verkargten Musik.

Ergreifendes Potenzial hat auch Marcellos nicht minder bekanntes Oboenadagio, wenn es Matúš Velas spielt. Konzertmeister Robert Maremek kleidet all das in einen dennoch schlanken Klang, spielt trotz moderner Instrumente auch seinen Bach historisch durchaus gut informiert und mit Lust an der Sache, was hier allemal wichtiger ist als interpretatorische Erbsenzählerei. Denn er überzeugt damit ein Publikum von der Schönheit einer Musik, die ihm mehrheitlich vermutlich sonst nicht zugänglich ist.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false