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Corinna Kirchhoff

© Binh Truong

Brandenburgische Sommerkonzerte: Schönheit und Schauer

Brandenburgische Sommerkonzerte in Putlitz: Corinna Kirchhoff und Ulrich Eckhardt tragen Lieder und Balladen von Richard Strauss, Franz Liszt und Robert Schumann vor.

Das Melodram, ein großes Rätsel. Nimmt man es ernst, erschlägt es das Publikum mit gründerzeitlicher Eichenschrankschwere. Nimmt man es nicht ernst genug, bedeutet Zuhören reine Zeitverschwendung. Was geht uns das schließlich an: die aus dem Schlaf hochfahrende Jungfrau, der Schiffbrüchige, dessen Herz bei der Rückkehr nach Hause zuverlässig noch einmal bricht, der Mönch, der so finster dreinblickt, das jeder danach nur noch sterben will? Und nebenan spielt ein Klavier. Weil aber jede Geschichte abhängig ist von ihrer Übermittlung, weil sowieso der Ton erst die Musik macht, kann das Melodram andererseits auch sehr gut unterhalten.

Wie bei diesem Brandenburgischen Sommerkonzert in Putlitz: Draußen vor der Stadtkirche St. Nikolai scheint die Sonne über der Burgruine mit Bergfried, drinnen erinnern die Schauspielerin Corinna Kirchhoff und der vormalige Berliner Festspiel-Intendant Ulrich Eckhardt am Klavier mit Balladen von Tennyson, Hebbel, Lenau und Bürger an Schönheit und Schauer der alten Zeit.

Beziehungsweise daran, wie man sich diese früher so vorgestellt hat, als man, angekränkelt von der eigenen Gegenwart und auf der Suche nach erhebenden Themen, ans Balladendichten ging. Und danach ans Vertonen. Übrigens mit viel Saum – allein Richard Strauss’/Alfred Tennysons Lebensgemälde des Fischers „Enoch Arden“ (Kirchhoff nennt seinen Namen mit drohender Gebärde) dauert über eine Stunde lang. Strauss selbst hat sich dabei rar gemacht.

Dem Enoch, der zur See fährt, um das Glück zu suchen, spendiert er nur wenig Musik, hier vielleicht einen grummeligen Basslauf, dort ein fröhliches Kindertrillern, dann auf einmal hell leuchtende Klänge, wenn Enochs zurückgelassene Frau den Verschollenen im Traum sieht. Aber im Ganzen bleibt er zurückhaltend. Anders Robert Schumann, dessen „Heideknabe“ nach Hebbel das heimliche Herzstück des Konzertnachmittages darstellt – er schafft für den Knaben und seinen furchtbaren Tod eine herb-schöne Untermalung.

Auch Liszts Musik fasziniert; wie abgerissene Ideen, schräge Assoziationen legt er seine Einfälle um Lenaus „Traurigen Mönch“ herum. Wenn Kirchhoff manchmal der Versuchung nicht widersteht, die große Konstruktion mit dem letzten Vers grotesk einstürzen zu lassen, wenn sie ihr Publikum dann doch noch zum Lachen bringt durch schräge Blicke oder falsche Einfalt, dann zeigt sich darin doch nur ihre Virtuosität: In glücklichen Momenten gelingt es ihr, alles mitschwingen zu lassen und zu umgreifen, das Befremden angesichts der geschilderten Lebensentwürfe und Ehrbegriffe ebenso wie das aufrichtige Hoffen darauf, dass es so, wie die Balladen erzählen, tatsächlich einmal gewesen sein möge.

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