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Kultur: Brandung im Fels

TANZ IM AUGUST

Er ist ein Schemen, im fahlen Lichtkorridor kaum zu erkennen. Dazu eine lastende Stille, in der man nur das Brummen der Soundanlage hört. Langsam richtet sich Opiyo Okach auf, streckt den rechten Arm in die Luft, wie aufgehängt im Nichts. „Dilo“, auf der großen Bühne des Podewil gezeigt, ist eine intensive, manchmal entrückte Mischung aus spirituell anmutender Versenkung, nachahmender Beschwörung einerseits (wenn sich der Tänzer windet und schlängelt wie Feuer, als schlafender Vogel kauert, wankt wie Strauchwerk im Wind) und formaler Recherche. An drei Stellen nur werden rhythmischer Gesang und eine Art Tamtam zugespielt, ansonsten agiert der Mitbegründer des kenianischen Künstlerkollektivs Gàara im Stillen, begleitet lediglich von poppig bunter Beleuchtung.

Der zweite Teil gehört dem quirligen Duo Raiz de Polon von den Kapverden. Bety Fernandes und Rosy Tavares spielen ihr Leben zwischen den Welten aus: als ehemals portugiesischer Besitz vor der Küste Afrikas gelegen, gehören die kargen Inseln beiden Regionen nicht eindeutig zu. So trägt das Duo Blümchenkleid und tanzt afrikanisch, sammelt Feuerholz und singt in einen Staubsauger, kreischt, bis eine Banane vom Himmel schwebt. Man sammelt Momente, an denen kulturelle Brüche dargestellt werden können. Zuletzt warten beide auf ihre Hochzeit und kichern: „Sie haben mich nicht geheiratet!“ Wen dieser polygame Plural meinen mag? Vielleicht das Publikum, das Mühe hatte, der Vermählung von so vielen Versatzstücken einen Sinnschleier überzuwerfen.

Franz Anton Cramer

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