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Kultur: Brecht und Bruckner

Die Verstellungskunst besteht darin, daß Theo Adam mit Bertolt Brechts "Baal"-Figur wenig gemeinsam hat und ihren Ton, gefiltert durch die Wiener Schule, dennoch trifft.Der wohlbekannte, vielgereiste Sänger aus Dresden berichtet in seinem Buch "Lyrik unterwegs" davon, wie er um die Titelpartie in Friedrich Cerhas Oper gerungen hat: "Spiel ich die mühsam erlernte Rolle / Oder bin nun Baal / Der sich und Andere-Ausleber / Die Traumwelt erhellt zur Wirklichkeit / Er wohnt in uns allen.

Die Verstellungskunst besteht darin, daß Theo Adam mit Bertolt Brechts "Baal"-Figur wenig gemeinsam hat und ihren Ton, gefiltert durch die Wiener Schule, dennoch trifft.Der wohlbekannte, vielgereiste Sänger aus Dresden berichtet in seinem Buch "Lyrik unterwegs" davon, wie er um die Titelpartie in Friedrich Cerhas Oper gerungen hat: "Spiel ich die mühsam erlernte Rolle / Oder bin nun Baal / Der sich und Andere-Ausleber / Die Traumwelt erhellt zur Wirklichkeit / Er wohnt in uns allen." Der Mozart- und Wagner-Sänger hat sich auf diese Weise mehrfach der zeitgenössischen Oper zugewandt und die Titelrollen in Dessaus "Einstein" und Berios "Un re in ascolta" kreiert.

1981 singt Theo Adam den Baal in der Uraufführung bei den Salzburger Festspielen, ein Jahr später widmet ihm der Wiener Komponist die "Baal-Gesänge".Da Cerha während der "Baal"-Komposition mit der "Herstellung" des dritten Aktes der Oper "Lulu" von Alban Berg umgeht, klingt die Musik, zumal in ihrem instrumentalen Anteil, Berg-nahe.Der Duktus des Gesangs aber sucht in Deklamation und Affekt den natürlichen Tonfall.Baal ist obszön, von anarchischer Asozialität, Holzfäller, Mörder - während sein Interpret den ehemaligen Kruzianer niemals verleugnen kann.Aber Theo Adam weiß auch, daß Baal Lyriker ist, abstoßend und faszinierend, "asozial in einer asozialen Gesellschaft" (Brecht).Und die erworbene Sprachkultur des Sängers dient dem Brecht-Wort bis zur Identifikation: "Er wohnt in uns allen." Die Leistung ist groß, weil die Anverwandlung überredend wirkt und die Kunstwahrheit durchschaubar.Der anwesende Komponist, der Dirigent Kurt Masur und das Publikum in der Philharmonie wissen es zu danken.

Ein glückliches Schicksal hat im Bruckner-Reigen der "Wien" gewidmeten 48.Berliner Festwochen die "Romantische" an Kurt Masur vergeben.Er feiert seine 50jährige Dirigiertätigkeit, indem er mit einem Orchester auftritt, das vor dem Jubiläum seines 75jährigen Bestehens (am 29.Oktober 1998) steht: das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin.Sieht und hört man den alten Klangkörper heute, dessen Anfänge in die Pionierzeiten des Radios zurückreichen, so erscheint er wach und jung.Sein Hornsolist gibt "immer deutlich hervortretend" der Vierten den Ton an, den das in allen Gruppen wunderbar engagierte Orchester fortführt.

Kurt Masur dient bei allem notwendigen Strukturbewußtsein dem sensiblen Moment.Auf seine Kapellmeisterweise ohne Taktstock dirigierend, gelingt es ihm an diesem Abend wie kaum einem anderen, den Klang mit den Händen zu modellieren, immer neu abzuschattieren, eine Bratschenstimme weisungsgemäß hervorzuholen, die anderen Streicher zu dämpfen, wo die Partitur im Finale "noch langsamer" wird.In ihrer Logik ist die Wiedergabe kurzweilig, taucht nach der Generalpause selig in den letzten Gedanken ein.Was diese Interpretation auszeichnet, ist ihre Herzenswärme.

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