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Kultur: Brehms Nachtleben

betreibt Artenkunde in der Clubszene Früher war alles ganz einfach. Freitag Abend bemalte man Lippen und Lider, zog Krawatte oder Lederjacke an und schwang ausgiebig das Tanzbein.

betreibt Artenkunde in der Clubszene Früher war alles ganz einfach. Freitag Abend bemalte man Lippen und Lider, zog Krawatte oder Lederjacke an und schwang ausgiebig das Tanzbein. Zur Wahl standen ein paar Tanzdielen und Milchbars, die Musik diktierte die Mode.

Irgendwann wurde es kompliziert. Spätestens in den Achtzigern überschaute kein Mensch mehr die sprunghaft angestiegene Zahl der Musikrichtungen und Subkulturen. Sozialarbeiter und andere Berufsjugendliche fanden ihr Auskommen darin, der Gesellschaft die ständig wechselnden Jugendmoden zu erklären. Mittlerweile sind Nachtleben und Musikszene ein anerkanntes Forschungsgebiet; im Internet kursieren Abhandlungen über die Semantik des Ausgehens oder primäre und tertiäre Codes nichtsprachlicher Verhaltensweisen.

Dass es auch einfacher geht, beweist das neue Übersichtswerk „Hip. Bestimmungsbuch für Szenegänger“ (Heyne 2004, 238 S., 8 €) des Hipthologen Josh Aiello. Im Stil von „Brehms Tierleben“ werden Gattungen aller nächtlichen Spezies vorgestellt: Glam-Rocker, Grufties, Gangstaz, Söhne, Slacker, Skinheads, City-Mütter, Internetfreaks. Über den Straightedger, eine aus Washington stammende minderjährige Fankultur der Hardcoremusik, erfährt man, dass man sie an der „Windmühle“ erkennt, einem rudernden Tanzstil. Des Ravers Ehrenkodex PLUR (Peace, Love, Unity, Respect) wird detailgetreu erklärt, Illustrationen zeigen Zickenbärtchen, Lidstriche und die Körpersprache beim Balzverhalten.

Wer am 4.12. die Burton Snowboard Party im Magnet (ab 21 Uhr, Greifswalderstr. 212–213, Prenzlauer Berg) besucht, kann das Büchlein getrost zuhause lassen. Weite Hosen, Stirnbänder und aufgeschnittene Jeans sind selbstverständlich, ebenso die härteren Klänge von Downshifter und den DJs Sören und TnT. Es sei denn, man ignoriert die Codes. Schließlich erregt nur Aufmerksamkeit, wer sich unpassend kleidet – um in der nächsten Artenkunde vielleicht als neue Gattung aufgenommen zu werden.

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