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Derzeit noch ein Museumsfall. Paula Modersohn-Beckers Landschaftsansicht „Häuser, Birken und Mond“.

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Bremer Casino will weitere Museumsbilder verkaufen: Gewinn gegen Gewissen

Als NRW ankündigte, zwei Warhol-Gemälde versteigern zu wollen, hagelte es Proteste. Doch der Ausverkauf geht weiter. Jetzt will sich das Bremer Casino von zwei Bildern von Paula Modersohn-Becker trennen. Was den Fall brisant macht: Anders als die Warhols hängen sie in einem Museum.

Am nächsten Mittwoch werden die beiden Warhols des nordrhein-westfälischen Casinobetreibers Westspiel bei Christie’s in New York versteigert. Auf ein Gebot bis zu 100 Millionen Euro hofft das marode Unternehmen, das Mitte der siebziger Jahre nur 400 000 Mark für die zwei Bilder investierte – als Ausstattung für sein Aachener Casino. Irgendwann landeten sie im Depot. Ein Super-Gewinn wäre das also, nur hätte NRW als Kulturland sein Gesicht damit verloren. 26 Museumsdirektoren protestierten in einem offenen Brief gegen den Schritt, Kulturstaatsministerin Grütters warnte vor dem Tabubruch, die Kulturstiftung der Länder versuchte vergeblich zu intervenieren. In die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen hätten die Werke prima gepasst, ebenso ins Aachener Ludwig-Museum. Zu spät.

Angesichts der erwarteten Rendite lassen die Akteure alle Bedenken fahren. Auch die öffentliche Hand stopft schamlos ihre Löcher mit Kunst, die eigentlich der Gewinnspirale des Marktes entzogen sein sollte. Damit wird der Staat zum aktiven Spieler in einem Geschäft, dem er als Hüter kultureller Werte bislang reserviert gegenüberstand. Die Zeiten für saftige Zuschläge sind zu gut, als dass ein Geldspiel-Unternehmen davon ablassen könnte. Als letztes Schamtuch hielt es das Versprechen hoch, der Aachener Fall werde einmalig bleiben. Von wegen.

Noch mehr Bilder sollen verkauft werden

„Triple Elvis“ und „Four Marlons“ sind noch nicht einmal in New York aufgerufen, sondern auf der Werbetour des Versteigerers bislang nur in London vorgeführt worden, da ist schon vom nächsten Deal einer Spielbank zu hören. Diesmal ist es das Bremer Casino, das zu 51 Prozent dem unseligen Betreiber Westspiel gehört, zu 49 Prozent der Landesbank. Zwei Bilder von Paula Modersohn-Becker (1876 –1907) sollen verkauft werden, um die Kassen aufzubessern: die um 1902 entstandenen Gemälde „Häuser, Birken und Mond“ sowie „Anbetung“.

Meistbietend abzugeben. Paula Modersohn-Beckers Gemälde "Anbetung", um 1902.
Meistbietend abzugeben. Paula Modersohn-Beckers Gemälde "Anbetung", um 1902.

© dpa

Der Fall liegt jedoch anders in Bremen, weil sich die Werke als Dauerleihgabe im dortigen Modersohn-Becker-Museum befinden. Das Ansinnen eines Verkaufs muss deshalb als noch größere Schamlosigkeit erscheinen. Doch sowohl Westspiel-Sprecher Christof Schramm als auch Museumsdirektorin Verena Borgmann versuchen, die Aufregung im Keim zu ersticken. Die Werke sollen in Bremen bleiben, man sei seit Monaten in Verhandlungsgesprächen, heißt es. „Ein Gutachten zum Wert liegt nicht vor“, so Schramm. Glaubwürdig klingt das nicht gerade. Schon werden Schätzungen in Höhe von mehreren hunderttausend Euro genannt.

Der Tabubruch Verkauf öffentlicher Kunst wird zunehmend gesellschaftsfähig

Was aus den Bremer Bildern wird, steht also noch in den Sternen. Allerdings zeigt sich, dass der Tabubruch Verkauf öffentlicher Kunst zunehmend gesellschaftsfähig wird. Im letzten Moment nahm Essen im Mai davon Abstand, die Moderne-Sammlung des Folkwang-Museums in seine Haushaltsbilanz einzuspeisen, um besser dazustehen. Das Düsseldorfer Energie-Unternehmen Eon hingegen blieb stur und ließ seinen ins Kunstmuseum gegebenen Jackson Pollock versilbern. Die Aachener Warhols folgen in Kürze. Markt und Museum stehen sich feindlicher denn je gegenüber, die leeren öffentlichen Kassen aber treiben sie zusammen.

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