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Briefwechsel: In Treue fest

Verbriefte Nähe: Die Korrespondenz zwischen Klaus Mann und seinem Onkel Heinrich Mann.

In Heinrich Manns Memoiren „Ein Zeitalter wird besichtigt“ sucht man den Namen seines Neffen Klaus vergebens. Auch der Briefwechsel der beiden, jetzt zum ersten Mal vollständig veröffentlicht, umfasst nur 80 Druckseiten, die Inge Jens und Uwe Naumann mit Auszügen aus Klaus Manns Autobiografie, den Tagebüchern und wechselseitigen Würdigungen der beiden auf 300 Seiten gestreckt haben. Doch man lasse sich weder durch die nicht immer zwingenden Füllsel noch durch Belanglosigkeiten wie den einleitenden Geburtstagsbrief der Geschwister Erika und Klaus Mann täuschen, mit dem die beiden dem Onkel auf kindliche Art „sehr schön“ gratulieren: „Hoffentlich geht es Dir gut.“

Dann reißt der Briefkontakt sogleich für neun Jahre ab. Doch was folgt, vom Juli 1933 bis zum Januar 1947, also vom Aufbruch ins Exil bis zum Freitod Klaus Manns, hat genug Substanz für die aufwendige Inszenierung. Und das nicht wegen der – in der Verlagsankündigung unterstellten – „großen politischen Nähe“ der beiden, sondern wegen deren Differenzierungen, von denen der Buchtitel „Lieber und verehrter Onkel Heinrich“ wenig verrät.

Zwar hat es Klaus Mann an Verehrung für den Onkel nie fehlen lassen. Sie ging sogar so weit, dass er ihm zuliebe seine Zusage zurückzog, Leopold Schwarzschilds „Bund Freie Presse und Literatur“ beizutreten, der sich als Reaktion auf die Moskauer Prozesse von der „Volksfront“ mit den Kommunisten distanzierte. Aber Klaus Mann war sich dabei durchaus im klaren, dass der Onkel damals „den Kommunisten durchaus hörig“ war. 1936 hatte er den ersten Moskauer Prozeß gerechtfertigt, und noch 1946 glaubte er, die Prozesse hätten „die Sowjetunion für ihre Verteidigung gerüstet, moralisch gerüstet“ erwiesen. Schwarzschild nannte ihn deswegen bei Klaus Mann „objektiv: der Protektor alles Bösen. Subjektiv: senil“, was dieser wiederum für „verrannt“ hielt, obwohl er selbst den Onkel ein Jahr später „sehr alt, beinahe greisenhaft“ erlebte, aber gleichzeitig „sehr rührend“. Kein Zweifel: Klaus war ein guter Neffe.

Das ging so weit, dass er den Onkel 1934 um Rat fragte, ob er Walter Benjamins Essay „Der Autor als Produzent“, der sich in einer Nebenbemerkung abfällig über Heinrich ausließ, in seiner Zeitschrift „Die Sammlung“ drucken solle. Er selbst fand, dass Benjamins Aufsatz „an einigen Stellen große Perspektiven eröffnet.“ Heinrich war nobel genug zu antworten, Klaus müsse als Herausgeber „selbst bestimmen, und die Erwähnung meines Namens, so wegwerfend sie gemeint ist, darf Dich nicht abhalten.“ Als lesenswert empfinde er die Passagen über Brecht: „Diese, erweitert und der Angriffe gegen Andersdenkende entkleidet, ergäbe einen Artikel. Bringst Du dagegen den ganzen, wie er vorliegt, dann empfehle ich dringend für die nächste Nummer einen anderen mit anderen Gesichtspunkten.“

Zu diesem Zeitpunkt, vor seinem Bekenntnis zur Volksfront, schrieb Heinrich Mann den Kommunisten, zu denen er auch Benjamin zählte, sogar „dieselbe Geistesart wie die Nazi“ zu: „Die Patzigkeit der kommunistischen Literaten wird nur immer größer, seitdem ihre Partei ausgetilgt worden ist...Sie glauben an die Macht – und wollen sie nur verschieben von dem einen ,geliebten Führer’ auf den anderen ,geliebten Führer’.“ Klaus verzichtete letztlich auf den Abdruck, weil er Benjamin „bei aller Gescheitheit“ doch „ungemein ärgerlich“ fand: „Der verbissenste Materialismus auf die Literatur angewandt inmer peinlich.“ So steht es in den Tagebüchern.

Anders die Briefe. Nur gute Worte fallen über den Bruder und „Übervater“ Thomas Mann und Heinrichs von der Familie ungeliebte Frau Nelly, die in den Tagebüchern von Klaus figuriert als „Tante Kröger – welche glänzend gekocht, ganz rührend, aber etwas besoffen war, sodass es zuweilen beängstigend wurde.“ Nichts davon in seinem Beileidsbrief zum Freitod der Tante mit der Erinnerung „an jene angenehmen Abende in Nizza, als Deine liebe Frau so köstliche Mahlzeiten für uns zubereitete und wir eine gute Zeit miteinander hatten!“

Wie tief Heinrich berührt war, zeigt sein Dankbrief, in dem er sich als „trauriger Mann“ bekennt: „Jetzt kann ich gar nichts mehr hoffen, und ich bin allein.“ Rührend und gerührt berichtet er zwei Monate später von seinem traurigen Geburtstagsessen mit Bruder Thomas und Katja Mann im August 1937, „wobei sie selbst aber das Nötigste mitbrachten, außerdem noch Geschenke. Ich habe es richtig genossen, mit ihnen zusammen zu sein.“ Nur in Klaus Manns Tagebüchern liest man eine andere Wahrheit: Thomas sei „ihm gegenüber oft gedankenlos-grausam (Wem gegenüber nicht?)“

Vielleicht ist das ein Grund, warum sich Klaus dem Onkel oft näher fühlte als dem Vater. Es sei, schreibt er zu Heinrichs 60. Geburtstag, „fast schwer, in der Person, die das bewunderte Werk produziert hat, etwas anderes zu sehen als eben ein Werkzeug, das kein Eigenleben hat. Hinzu kommt Heinrich Manns besondere Art...Er lässt wirklich ,keinen an sich heran’“. Einige Jahre später schreiben Erika und Klaus 1939 über den „alternden“ Onkel, er fühle sich jetzt immer stärker seiner Familie zugehörig. „Auch uns, seine Neffen und Nichten, empfängt er (...) mit einer Freundlichkeit, die nicht ohne feierlich-patriarchalischen Einschlag ist."“

Die letzten Begegnungen notiert Klaus kommentarlos. Einmal trifft er Heinrich „toothless“ an, ein andermal „in comparatively pleasant shape“. Der Briefwechsel klingt 1947 melancholisch aus, wenn Klaus sich nach langem Schweigen auf die „liebe Gewohnheit“ eines Neujahrsbriefes besinnt und sich ein letztes Mal als „Dein anhänglicher Neffe“ bekennt. Heinrich findet es „reizend, dass Du an mich wieder denkst“ und zeichnet seinerseits als „Dein getreuer Onkel.“ Am Ende wird er dem Neffen, der sich einmal vorgenommen hatte, die Biografie des Onkels zu schreiben, einen Nachruf schreiben, der mit den Worten schließt: „Es ist zu sagen, dass dieser ein reiner Mensch war.“

Klaus Mann:

„Lieber und verehrter Onkel Heinrich“. Hg. von Inge Jens und Uwe Naumann. Rowohlt Verlag, Reinbek 2011.288 Seiten, 19,95 €.

Hannes Schwenger

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