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Hier fehlte was. Die Skulptur „Berlin“ auf der Tauentzienstraße. Foto: Imago

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Brigitte Matschinsky-Denninghoff: Stählerne Liebe

Am Dienstag ist Brigitte Matschinsky-Denninghoff im Alter von 87 Jahren gestorben. Zum Tod der Berliner Bildhauerin.

Die Lektion war hart gelernt, 1963 in den Berliner Borsigwerken. Das Künstlerehepaar Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff arbeitet an der Großskulptur „Scientia“, entworfen für das Institut für anorganische Chemie in Dahlem. Fünf Meter hoch, jede Menge Stahl. Und die Arbeiter bei Borsig machen klar: „Arbeitsbeginn ist Dreiviertel Sieben.“ Brigitte Matschinsky-Denninghoff wusste sofort: Wenn sie jetzt diskutiert, dann bekommt sie in der Fabrik nie wieder einen Fuß auf den Boden. Misstrauen gab es ohnehin gegenüber den Künstlern. Doch am Ende der sechs Monate ist sie stolz: Es sind Freundschaften entstanden. Einige Arbeiter sind dann sogar mal ins Museum gegangen, und es hat ihnen nicht schlecht gefallen. Echte Pionierarbeit also. Schweißen hat das Künstlerpaar auch gelernt.

Anfang der fünfziger Jahre hatten sich zwei gefunden, zwei Suchende, zwei Wechselwillige. Die junge Berliner Bildhauerin, die bei Henry Moore und Antoine Pevsner assistierte, und der Fotograf und Schauspieler, der Erfahrungen in Krieg und Kriegsgefangenschaft hinter sich hatte und zu den Begründern der Otto-Falckenberg-Schule in München gehört. Am Theater in Darmstadt lernen sie sich kennen, bei Gustav Rudolf Sellner. Martin Matschinsky ist als Schauspieler unausgelastet, Brigitte Meier-Denninghoff als Bühnenbildnerin fehlbesetzt. In der Kunst finden sie zusammen, zunächst in München, dann in Paris, ab 1969 endgültig in Berlin.

Die Skulpturen, die sie für Mainz und Heidelberg, Tübingen und Kiel, den Bodensee und Berlin konzipieren, sind unverwechselbar und in ihrer Sinnlichkeit an Henry Moore, in der konstruktiven Raffinesse an Pevsner orientiert. Brigitte Meier-Denninghoff hat von ihren Vorbildern gut gelernt. Für das Deutschland der fünfziger Jahre, in dem Künstler wie Henry Moore kaum bekannt waren, sind ihre Werke eine Revolution. Sie werden mit Einladungen zur Documenta und auf die Biennale nach Venedig belohnt, wenn auch vorerst nur unter Brigittes Namen. 1955 heiraten Brigitte und Martin und nennen sich fortan Matschinsky-Denninghoff. Ab 1970 signieren sie auch so.

Die monumentalen Stahlrohrskulpturen sind bis heute das Markenzeichen des Künstlerpaares mit dem komplizierten Namen. Sie tragen Titel wie „Taifun“, „Herkules“, „Landmarke“, „Große Gaia“ oder eben „Berlin“. „Berlin“, jene 1987 zur 750-Jahr-Feier der Stadt realisierte Stahlskulptur in Form eines Tores oder zweier verschränkter Hände, ist immer noch ihr berühmtestes, ihr beliebtestes Werk. Anziehungspunkt und Fotomotiv für Touristen aus aller Welt. Der Standort in Sichtweite des KadeWe auf dem Mittelstreifen der Tauentzienstaße war bewusst gewählt, auch wenn der Skulpturenboulevard, für den die Skulptur gedacht war, eigentlich auf den Kurfürstendamm ausgerichtet war. Den Ku’damm fanden die Matschinsky-Denninghoffs uninteressant. Am Tauentzien jedoch hatten sie das Gefühl: „Hier fehlt was.“

Es fehlt was. Das war sechs Jahre später auch der Impuls, der die Matschinsky-Denninghoffs 1993 noch einmal neu beginnen ließ. In Schönfeld in der Altmark erstanden sie einen alten Vierseithof, den sie Schritt für Schritt zum Sommeratelier ausbauten, mit Metall-Atelier, Mal-Atelier, Materiallager – und einem großen Garten, der Jahr für Jahr mehr zum Skulpturenpark wurde. Hier entstehen noch einmal monumentale Skulpturen, die „Kern“ oder „Ozean“ heißen, filigrane Metalldraht-Kuben werden in die Landschaft gesetzt. Schönfeld, so haben die Matschinsky-Denninghoffs es sich gewünscht, soll nach ihrem Tod zum Künstlerdomizil werden, unter Federführung der Berlinischen Galerie. Es wäre ideal, um den Gemeinschaftsgeist der beiden Künstler zu bewahren. Der künstlerische Nachlass lagert schon seit längerem in der Berlinischen Galerie, vor der auch die Skulptur „Dreiheit“ steht.

Christo und Jeanne-Claude, Bernd und Hilla Becher, Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff: Es gibt diese Künstlerpaare, die ernst gemacht haben mit Gleichberechtigung und gemeinsamer Arbeit. Die ihre künstlerischen Anteile nicht auseinanderdividieren lassen und auf Fotos am liebsten zu zweit posieren. Auch wenn Martin Matschinsky in hohem Alter noch einmal angefangen hat zu malen, in der Skulptur war es eine über 50-jährige wunderbare Werkgemeinschaft. Nun geht sie zu Ende. Am Dienstag ist Brigitte Matschinsky-Denninghoff im Alter von 87 Jahren gestorben. Wenn einer von ihnen stirbt, so haben sie es schon früh festgelegt, wird der andere weiter mit der gemeinsamen Signatur zeichnen.

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