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Die Leuchte "Tyranno" schuf Michel Feith 1984.

© Martin Adam

Bröhan-Museum: Clinch auf der Couch

„Schrill Bizarr Brachial“: Das Berliner Bröhan-Museum ist eigentlich auf die Epoche des Jugendstil spezialisiert - derzeit aber ist hier auch Neues Deutsches Design der 80er Jahre zu sehen. Eine Ausstellung, die Spaß macht

Das knallt. Während im Erdgeschoss des Charlottenburger Bröhan-Museums Jugendstil-Eleganz zu sehen ist, schlägt im Obergeschoss das Neue Deutsche Design der 80er Jahre mit martialischer Wucht ein. Mit „Schrill Bizarr Brachial“ treibt das Museum seine Neupositionierung als Ort für die Geschichte der Gestaltung voran und reagiert gleichzeitig auf das wieder erwachende Interesse an West-Berlin.

Nirgendwo sonst in Deutschland waren Zweiter Weltkrieg und Kalter Krieg bis in die 80er Jahre so präsent wie in der Mauerstadt. Blickt man aus dem zeitlichen Abstand auf das Design, das hier in dieser Zeit entstand, erschreckt, wie sehr sich das kriegerische Vokabular bis ins Mobiliar hineinfraß. Gitter, Armierungseisen, Stacheldraht – die Gestaltung nahm alle Symbole der Bedrohung auf. Sie spielte mit der Armut, mit der Fragmentierung, mit dem betonierten Provisorium.

Den Anstoß für die Abkehr von der „Guten Form“ wie sie im schwäbischen Ulm propagiert wurde, gab die inzwischen legendäre Ausstellung „Kaufhaus des Ostens“. 1985 machte sie in den Räumen des heutigen Bröhan-Museums Station, in denen sich damals noch das Deutsche Werkbundarchiv befand.

Konzipiert war die Ausstellung als studentische Hausarbeit. Der englische Designer Jasper Morrison war als Daad-Stipendiat in die Stadt gekommen und benötigte eine universitäre Bescheinigung. Gemeinsam mit Joachim Stanitzek und Andreas Brandolini, damals Assistent von Nick Roericht an der HdK, formulierte er die Aufgabe: Die Studenten sollten Objekte entwerfen, die weniger als 100 DM kosten durften und aus vorgefertigten Materialien produziert werden sollten. So entstanden Sessel aus Yton-Steinen und Kupferrohren, Tische mit Spitzhacken als Beinen, Lampen aus Tomatenstangen.

Als die Ausstellung im Berliner Merve-Verlag in der Crellestraße gastierte, wurde der Consumer's Rest Lounge Chair des Designers Stiletto ins „Kaufhaus des Ostens“ eingemeindet. Die Verlagsleiterin Heidi Paris hatte ihn gekauft. Jetzt fand Tobias Hoffmann, Direktor des Bröhan-Museums, den Einkaufswagen, dessen Seiten zu Armlehnen umgebogen sind, in den Verlagsräumen wieder. Heute wirkt er typisch für den West-Berliner Protest gegen den Konsumterror – und die leise Sehnsucht nach Gemütlichkeit.

Fotowände erinnern in der Ausstellung an die struppigen Szenetreffpunkte. Ein Video zeigt einen Auftritt der Einstürzenden Neubauten mit selbstgebastelten Instrumenten, daneben steht das Schlagzeug aus Lüftungsrohren. Die Ruinen, die Armut, die Isolation bildeten in Berlin den Nährboden für provozierende Formen. Aber auch in Hamburg oder Düsseldorf schlossen sich Designer zu Gruppen wie Möbel perdu oder Kunstflug zusammen. Ihre Entwürfe landeten weniger auf dem Markt als im Museum. Die Documenta 8 zeigte 1987 das deutsche Wohnzimmer von Andreas Brandolini. Eine ironische Reminiszenz an die gute Stube. In den Teppich sind Dielenboden und Lagerfeuer eingewebt.

Der Gestalter Axel Kufus arbeitete zeitweise mit der Künstlerin Ulrike Holthöfer zusammen. Den Regalen aus Teichbecken oder Kellerfenstern ist die Leichtigkeit des künstlerischen Eingriffs anzusehen. Den absoluten Blickfang in der Ausstellung bildet ein langhaariger, türkisfarbener Sessel. Das Duo baute ihn aus Bürsten einer Autowaschanlage.

Sehr vergnüglich ruft die Ausstellung das Lebensgefühl der Inselstadt in den 80er Jahren wach. Die Verweigerung von Prestigesymbolen, die Betonung von Brüchen. Die Spaltung der Welt in Ost und West schlug sich im Design nieder. Mitunter taucht die Abschreckungspolitik sogar explizit in den Möbeln auf. Da stützen bei Herbert Jakob Weinand Beine in Form von Pershing Raketen die Platte eines Schminktischs. In der schwarz-rot- goldenen Couch von Siegfried Michail Syniuga verkämpfen sich Russen und Amerikaner. Subtil ist hier nichts. Aber die Formensprache macht Spaß, weil sie die Konfrontation sucht und auf Repräsentation verzichtet.

Bröhan-Museum Schloßstraße 1a, bis 1. Februar 2015, Di–So 10–18 Uhr

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