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Kultur: Brutstätten

Dunkle Motive: die Bilder von Claas Gutsche.

Ein schmuckes Landhaus mit Remise. Ein Stück entfernt ein zweites Gebäude in eigenartig gedrängter Perspektive, weiß leuchtend wie die Silhouette der Wolkenberge. Ein Waldstück: meisterhaft gefertigt, realistisch, harmlos. Wären da nicht die Schatten auf der Fachwerkfassade im Vordergrund. Wie durch ein Fenster blickt man auf das menschenleere Idyll. Vertraut und fremd, rätselhaft und undurchdringlich wie die schwarzen Flächen, die sich links und rechts ausdehnen. „Der Eid (Hohenlychen)“ heißt der Linolschnitt (5er-Auflage, 4900 Euro) von Claas Gutsche, der nicht nur durch schiere Größe beeindruckt.

Mit höchst unaufgeregten Motiven fokusiert der 1982 im Harz geborene Künstler in seiner Ausstellung in der Galerie Wagner und Partner „drama & romantic“. An Orten, wo sich Geschichte verdichtet. So haben in Hohenlychen viele ihren Eid geschworen: die Ärzte, die es einst als Heilstätte gründeten, ebenso wie Nazi-Funktionäre, die das Sanatorium zunächst zur Erholung nutzten und später dort Menschenversuche durchführen ließen. Nach dem ZweitenWeltkrieg richtete die sowjetische Armee hier ihr Lazarett ein.

Auch das „Monument“ (6er-Auflage, 2200 Euro) steht für sich, in monolithischer Seitenansicht fast neutral. Das Unbehagen entfaltet Gutsche im filigranen Licht- und Schattenspiel. Unweigerlich will man mehr wissen. Das Mahnmal steht in Halbe auf einer der größten Kriegsgräberstätten Deutschlands und war in jüngerer Vergangenheit wiederholt Aufmarschziel von Alt- und Neonazis.

Gutsche manifestiert in seinen Linolschnitten das Unheimliche, ohne ins effektvoll Anekdotische zu verfallen. Gerade darin liegt ihre Kraft. So ruhig und unspektakulär diese Bildwelt ist, so fern jeder Mode ist auch die künstlerische Umsetzung. Gutsche, der in Halle, Brighton und London studiert hat, feiert die Kunst der Entschleunigung und entlockt der traditionellen Technik eine beeindruckende Gegenwärtigkeit. Weitet deren Grenzen fotorealistisch aus oder vollzieht mit Installationen wie „Curtain“ (Preis auf Anfrage) den konkreten Ausstieg aus dem Bild. Auch der raumhohe Vorhang besteht aus Linoldrucken. Unzählige schmale Streifen formen ein überdimensionales Rechteck. Ans Bildhafte erinnert nur noch die exakte, flächige Anordnung. Das hauchdünne Papier ist einseitig bedruckt, die Rückseite – durch den Abrieb und das Durchsickern der Farbe – schwarzweiß strukturiert. Ob es sich um ein abstraktes Muster handelt oder was überhaupt sich hinter diesem Vorhang abspielt, bleibt der Imagination überlassen. Nachtschwarz überlagert Gutsche „drama & romantic“ zu hellsichtigen Momentaufnahmen. Michaela Nolte

Galerie Wagner + Partner, Karl-Marx- Allee 87; bis 14. 7. Di - Sa 12 - 18 Uhr

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