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Kultur: BSE-Krise: Ein Siegel macht noch keine Sicherheit

Wenn die Not groß und das Vertrauen der Verbraucher klein ist, lässt der Ruf nach verschärfter Kontrolle nicht lange auf sich warten. Als Konsequenz aus der BSE-Krise forderte die SPD-Gesundheitspolitikerin Carola Reimann am Dienstag ein neuartiges rechtlich geschütztes Verbraucher-Zertifikat für Lebensmittel.

Wenn die Not groß und das Vertrauen der Verbraucher klein ist, lässt der Ruf nach verschärfter Kontrolle nicht lange auf sich warten. Als Konsequenz aus der BSE-Krise forderte die SPD-Gesundheitspolitikerin Carola Reimann am Dienstag ein neuartiges rechtlich geschütztes Verbraucher-Zertifikat für Lebensmittel. Dieses Transparenzsiegel sollte künftig von einer unabhängigen Stelle wie der Stiftung Warentest vergeben werden, verlangte die SPD-Bundestagsabgeordnete. Die Idee ist nicht ganz neu. Bereits Anfang Dezember, kurz nach Bekanntwerden der ersten BSE-Fälle in Deutschland, hatte die landwirtschaftspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Ulrike Höfken, zum Schutz des Verbrauchers gleich zwei neue, staatlich überwachte Qualitätssiegel gefordert - eines für reine Öko-Produkte, ein anderes für "verbrauchergerechte Landwirtschaft". Ob die Siegel allerdings halten, was sich Politiker davon versprechen, wird von Experten bezweifelt.

Verbraucher sind überfordert

Schon jetzt haften auf Tausenden von Produkten Prüfsiegel unterschiedlichster Herkunft. Das bekannteste ist das Prüfsiegel der CMA, der Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft ("Qualitäts-Rindfleisch mit dem CMA-Prüfsiegel"). Die CMA ist so etwas wie die PR-Agentur der Ernährungsindustrie. Ihr oberstes Ziel heißt Absatzförderung. Gerade darum misstrauen Verbraucherverbände der Aussagekraft des CMA-Siegels. Das Siegel bewerte zwar Aussehen, Geruch und Geschmack des Fleisches, sage aber nichts über andere Qualitätsmerkmale wie Gesundheits- oder ökologischen Wert der Produkte aus, kritisieren die Verbraucherschützer.

Andere vermeintliche Güte-Zeichen, wie das Öko-Siegel, das Öko-Prüfzeichen oder die diversen Markenzeichen von Bioland, Demeter oder anderen Öko-Produzenten garantieren zwar den ökologischen Anbau. Was aber sonst noch dahinter steckt, weiß nur eine eingeschworene Gemeinschaft von Experten. "Der Verbraucher ist überfordert", sagt Ernährungsexpertin Barbara Bujny von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Bevor man die Siegel versteht, muss man sich intensiv damit auseinander setzen." Der Kieler Agrarökonom Reimer von Alvensleben geht ohnehin nicht davon aus, dass Gütesiegel als Ausweis höherer Qualität interpretiert werden, wie von den Urhebern beabsichtigt. "Verbraucher verstehen Gütesiegel nicht als Qualitätsmerkmal, sondern als Herkunftszeichen", sagt der Wissenschaftler. Die eigentliche Botschaft sei bei Verbrauchern nur schwer kommunizierbar. "Da können Sie noch so viele Gütesiegel auf die Produkte kleben, dass bringt auch nichts", sagt von Alvensleben. Sein Fazit: "Siegel sind unglaubwürdig."

Qualität ist nicht gewährleistet

Auch der Marktforscher Rudolf Wolfram von der Universität Bonn hält die Aussagekraft von Gütesiegeln für sehr begrenzt. "Das funktioniert nur nach dem Prinzip von Treu und Glauben", sagt Wolfram. Die Qualität sei nicht gewährleistet, die Kriterien nicht einsichtig und nicht kontrollierbar. Auch mit neuen Siegeln könne das Problem nicht aus der Welt geschafft werden. Wolfram hält das für ein strukturelles Problem der Agrarwirtschaft, die unter dem Einfluss starker Lobby-Gruppen stehe. Die seien weniger an Transparenz interessiert, als daran, ihre Preise abzusichern. "Neue Institute und Prüfsiegel zu schaffen halte ich für einen Witz." Es gebe ohnehin keine Möglichkeit des Eingriffs.

Im Übrigen könne niemand im Moment garantieren, dass ein Stück Rindfleisch BSE-frei sei, sagt Marktforscher Wolfram. "Das weiß einfach keiner." Verbraucher, so Wolfram, müssten mit der Einsicht leben, dass es "null Risiko nicht gibt".

Maren Peters

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