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Kultur: BSE: Pfadfinder

Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Bündnis90/Die Grünen) kam als erste in den Wappensaal des Roten Rathauses in Berlin. Gemeinsam mit Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD) sollte sie den Abgeordneten des Agrar- und denen des Gesundheitsausschusses des Bundestags dort am Freitag Rede und Antwort zum Thema BSE stehen.

Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Bündnis90/Die Grünen) kam als erste in den Wappensaal des Roten Rathauses in Berlin. Gemeinsam mit Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD) sollte sie den Abgeordneten des Agrar- und denen des Gesundheitsausschusses des Bundestags dort am Freitag Rede und Antwort zum Thema BSE stehen. "Es gibt schon ein paar kritische Fragen", kündigte der CDU-Politiker Ulf Fink fest entschlossen an. Sein Vorwurf lautet: Die Regierung habe im Kampf gegen BSE keinerlei konkrete Maßnahmen ergriffen. "Da muss man Geld in die Hand nehmen", fordert er, weil effektiver Verbraucherschutz eben kostet.

Fischer lässt sich derweil im Blitzlichtgewitter der Fotografen von ihrem Büroleiter eine Mappe mit letzten Informationen für ihren Auftritt geben. Zehn Minuten später bahnt sich Funke den Weg durch die Wartenden. Ernstes Gesicht, unter dem Arm ein neues "Funke-Programm für eine verbraucher- und umweltorientierte Agrar- und Ernährungspolitik".

65 105 Schnelltests

Gesundheitsministerin Fischer beginnt. Sie weist auf die Dramatik der Situation hin: "Seit der Zunahme der BSE-Fälle Anfang Dezember hat sich zwangsläufig die Risikobewertung für Verbraucher in Deutschland deutlich geändert", sagt sie. Sie weist aber auch darauf hin, dass die Bundesländer innerhalb kürzester Zeit ein System an Schnelltests installiert hätten, mit dem in gerade mal einem Monat mehr Schlachtrinder getestet werden konnten als dies in Frankreich seit Beginn der Untersuchungen im September 2000 der Fall ist.

"Dabei stelle ich fest, dass weitaus weniger BSE-Fälle nachgewiesen wurden, als dies in Frankreich der Fall war", berichtet sie den Abgeordneten. Nach Angaben der Ministerin gibt es bis zum 3. Januar 65 105 Schnelltests. Dabei wurden fünf BSE-Fälle bei Schlachtrindern nachgewiesen und zwei Fälle bei Krankschlachtungen.

Andrea Fischer erneuert ihre Forderung, "zum frühest möglichen Zeitpunkt immer mehr, das heißt immer jüngere Tiere einzubeziehen". Derzeit werden die Tests bei allen über 30 Monate alten Rindern vorgeschrieben, die geschlachtet werden. Fischer will die Grenze nun bei 24 Monaten setzen. Die Forschung, wie BSE übertragen wird, soll verstärkt werden.

Geprüft wird auch, ob die Verwendung der Wirbelsäule der Tiere verboten werden soll. Bislang gilt die Wirbelsäule, anders als zum Beispiel das Rückenmark, noch nicht als Risikomaterial. Geprüft wird ebenfalls, wie mit Fleisch umgegangen werden sollte, das am selben Tag gewonnen wird, an dem im Schlachthof ein positiv getestes Rind geschlachtet wird. Die Lehren aus BSE "dürfen sich nicht nur auf verbessertes Krisenmanagement" beschränken, warnt die Gesundheitsministerin zum Abschluss. Sie wies darauf hin, dass dabei nicht nur die Politik ihre Verantwortung zu tragen habe. Auch die Verbraucher müssten "bewusster ihre Auswahl beim Einkauf treffen und damit an der Ladentheke darüber abstimmen, wie Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion stattfinden", sagte sie.

Auch Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke hat gearbeitet. Minutiös hat er für die Abgeordneten die Geschichte der Rinderseuche BSE in Deutschland und vor allem die Schritte des Landwirtschaftsministeriums dagegen aufgelistet. Die Fachpolitiker aus dem Gesundheits- und dem Landwirtschaftsausschuss können noch einmal den Werdegang der sieben BSE-Rinder Revue passieren lassen und sich von den Testmethoden überzeugen lassen.

Tiermehl nicht tolerieren

Funke breitet vor ihnen mit Datum, Aktenzeichen und Zitaten die Genese des Tiermehlverbots in Deutschland und der EU aus und verschweigt nicht, dass es zahlreiche Verstöße gegen das Verbot gegeben hat. Und dass er und die Landwirtschaftsminister der Länder seit Jahren davon wussten, dass Futtermittelhersteller zwischen Nordsee und Alpenrand seit Jahren auch Tiermehl in das Kraftfutter für Wiederkäuer gemengt haben. Ob wissentlich oder aus Schlamperei kann Funke nicht sagen.

Sein Ministerium hat die Hersteller und die Länder jedoch darauf hingewiesen, dass es keinen Schwellenwert für eine Verunreinigung geben kann. Tiermehl im Futter für Rinder sei nicht zu tolerieren. Den Tiermehl- und Futtermittelproduzenten hat Funkes Ministerium deswegen geraten, zwischen den Produktionen "Spülchargen zu fahren". Überwacht wurde jedoch auch dies nicht, und selbst wenn, klagten die zuständigen Länderbehörden, dass sie keine genaue Messmethode für den Nachweis von kleinsten Mengen Tiermehl im Pflanzenfutter hatten. "Die Überwachungsbehörden haben häufiger geklagt, dass es außerordentlich schwer sei, gerichtsfeste Beweise zu erarbeiten", sagt Funke.

Das lag einerseits an der Messtechnik. Andererseits kann Funke den Abgeordneten detailliert über die schlechte Kontrolle der Länder darlegen, die ausschließlich für die Überwachung zuständig sind. Vor allem in Bayern habe eine Delegation des EU-Lebensmittel- und Veterinärüberwachungsamts festgestellt, dass zu spät mit den Kontrollen begonnen wurde.

Die Kontrollberichte seien nicht präzise und transparent genug, hatten die Prüfer bemängelt. Funke präsentiert den Abgeordneten auch eine lange Liste mit Vorschlägen, wie er weiter mit dem Rinderwahnsinn umgehen will. In seinem "Funke-Programm" wirbt er für eine "nachhaltige ländliche Entwicklung", für ein "Ökolandbaugesetz" und für "Transparenz und Sicherheit vom Stall bis zur Ladentheke".

Viele seiner Vorschläge sind bereits in Arbeit, verabschiedet oder werden von der EU-weit gültigen Agenda 2000 vorgeschrieben. Sie sind umfänglich und unkonkret. Und eines sind sie nicht: Sie haben nichts mehr mit dem Sieben-Punkte-Plan gemein, den Funkes Staatssekretär Martin Wille mit Rainer Baake, Staatssekretär von Umweltminister Jürgen Trittin, in dieser Woche ausgearbeitet hatte.

"Das Papier war mit mir nicht abgestimmt", sagt der Landwirtschaftsminister vor der Sitzung.

Carsten Germis, Ulrike Fokken

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