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Denis Scheck

© dpa

Buchempfehlungen: Denis Scheck liest Faustkeilprosa

Einmal monatlich bespricht Denis Scheck, Literaturredakteur beim Deutschlandfunk, die "Spiegel"-Bestsellerliste, abwechselnd Belletristik und Sachbuch – parallel zu seiner ARD-Sendung "Druckfrisch". Diesen Monat: Belletristik.

10) Simon Beckett: Verwesung (Deutsch von Andrea Heese, Wunderlich, 448 S., 22,95 €)

„Trist breitete es sich aus, soweit das Auge reichte“, schreibt Simon Beckett über das Dartmoor, wo er einen Serienkiller sein Unwesen treiben lässt. Die Ödnis seines Handlungsorts ist aber nichts im Vergleich zum trübsinnigen Sumpf von Becketts Sprache, mit der er seinen forensischen Anthropologen David Hunter in einem vorhersehbaren Plot durch Hag und Heide, durch Moor, Modder und Morast der Thrillerklischees jagt.

9) Arno Geiger: Der alte König in seinem Exil (Hanser, 192 S. 17,90 €)

Wie geht man mit einem Menschen um, dem eine Demenz Geist und Gedächtnis auszulöschen droht? Unter anderem mit Humor: „Gespräche mit ihm waren eine gute Gymnastik gegen das eigene Einrosten.“ Arno Geiger hat ein einsichtsreiches und zutiefst bewegendes Buch über die Demenzerkrankung seines Vaters geschrieben, ein großes Plädoyer für das, was Menschlichkeit ausmacht.

8) Horst Evers: Für Eile fehlt mir die Zeit (Rowohlt Berlin, 224 S. 19,95 €)

Horst Evers’ Komik des kindlichen Blicks auf die Welt enerviert durch bräsige Harmlosigkeit, die noch in seinen seltenen satirischen Spitzen mitschwingt – „Früher haben mich höchstens alle halbe Jahre mal Freunde oder Freundinnen gebeten, mit ihren jeweiligen Partnern zu reden, weil die plötzlich irgendwelche saubilligen Häuser oder Bauernhöfe in Brandenburg kaufen wollen. Mittlerweile passiert das jede Woche. Wenn das so weiter geht, kann ich meine Anti-Makler-Tätigkeit bald als Gewerbe anmelden. Von den Gewinnen kaufe ich mir dann vielleicht ein Haus in Brandenburg.“ Nicht nur langfristig werden Käufer brandenburgischer Häuser mehr zu lachen haben als Käufer dieses Buchs.

7) Carlos Ruis Zafón: Marina (Deutsch von Peter Schwaar, S. Fischer,, 352 S., 19,95 €)

Berauscht vom Erfolg von „Der Schatten des Windes“ hat der Fischer Verlag diese im letzten Jahrtausend erschienene schauerromantische Fingerübung Zafons ausgegraben. Ergebnis der Exhumierung: Totgeburten lassen sich nicht reanimieren.

6) Karen Rose: Todesstoss (Deutsch von Kerstin Winter, Knaur, 650 S., 14,99 €)

Nach „Todesschrei“, „Todesbräute“ und „Todespiele“ reitet die Amerikanerin Karen Rose mit „Todesstoss“ ihre in Faustkeilprosa verfasste gewaltpornografische Serienkillermasche weiter zu Tode.

5) Jussi Adler-Olsen: Schändung (Deutsch von Hannes Theiss, dtv, 460 S., 14,90 €)

Der zweite Fall um das Kopenhagener Sonderdezernat Q, in dem alte Fälle neu aufgerollt werden, handelt von einer korrupten Machtelite, die Jagd auf Menschen macht. Die eigentlichen Blutbäder richtet Adler-Olsen nun sprachlich an: „Falls nun das Foto von der verschwundenen Frau mit dem Ohrring in dem Svendborger Archiv auftauchte und falls ein Experte bestätigte, dass der am Lindelse Nor gefunde Ohrring das Gegenstück zu dem in Kimmies Metallkiste war und obendrein derselbe Ohrring wie auf dem Foto, dann hätten sie genügend Beweise, um die Sache vor Gericht zu bekommen.“ Manche Romane richten sich selbst.

4) Donna Leon: Auf Treu und Glauben (Deutsch von Werner Schmitz, Diogenes, 316 S. 22,90 €)

Commissario Brunetti will in seinem 19. Fall nur eins: Urlaub machen. Aber dann kommt ihm einiges dazwischen – „Blut und Tod und skandalöser Sex zwischen Vogelkäfigen“, außerdem eine durchgedrehte Tante, das eine oder andere tramezzino mit Bresaola und Artischocke sowie eine Leiche. Urlaubslektüre eben.

3) Susan E. Phillips: Der schönste Fehler meines Lebens (Deutsch von Elfriede Peschel, Blanvalet, 448 S., 14,99 €)

Meg Korande, Ted Beaudine, Spencer Skipjack: so neongrell wie die Namen seiner Figuren, so überdreht die Handlung dieses Liebesromans um eine Frau, die eine Stadt in Texas gegen sich aufbringt, weil sie ihrer besten Freundin, der Tochter einer Ex-Präsidentin der USA, von der Heirat mit dem Bürgermeister abrät, einem schlagfertigen Schönling und Schlaukopf. Trotz aller Modernisierungsbemühungen: Das grottigste aller Literaturgenres bleibt der Liebesroman.

2) Volker Klüpfel und Michael Kobr: Schutzparton (Piper, 390 S., 19,95 €)

Das Grauen hat einen Namen: Regionalkrimi. Kobr und Klüpfel schreiben Regionalkrimis, versetzen diese aber mit Hilfe ihres Retro-Kommissar Kluftinger mit einem so hohen Anteil an schrulliger Komik, dass man ihnen darüber sogar die stilistischen Begrenztheiten ihre Prosa nachsieht. So auch in diesem Fall um eine erwürgte 82-Jährige und den fiktiven Schatz des echten Heiligen Magnus, Schutzpatron des Allgäus.

1) Jussi Adler-Olsen: Erlösung (Deutsch von Hannes Thiess, dtv, 588 S. 15,40 €)

Zwei Dinge an diesem routinierten, langweiligen Serienkrimi um eine mit Blut geschriebene Flaschenpost eines entführten Jungen namens Poul, die in Schottland gefunden wurde, deprimieren: Dass „Erlösung“, der dritte Fall um das Ermittlerteam Carl Mørk und Hafez el-Assad, noch 128 Seiten länger ist als sein Vorgänger „Schändung“ und dass solche mediokre Konfektionsware auf Platz 1 der deutschen Bestsellerliste steht.

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