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Buchkritik: Es liegt etwas im Kargen

Silvia Bovenschen und ihr Schelmenroman „Wie geht es Georg Laub?“

Wenn der Intellektuelle ein Mensch ist, dessen Geist sich selbst beobachtet, wie das Albert Camus einmal treffend formulierte, dann gehört Silvia Bovenschen zu den glanzvollsten Vertretern dieses Menschenschlags, auch wenn es um dessen Reputation nicht mehr allzu gut bestellt ist. Markige Sprüche und windige Thesen verdrängen die kritische Reflexion, die stets auch den Argwohn gegen die eigene Argumentation einschließt. Bovenschen aber ist eine Intellektuelle geblieben, auch nach dem überraschenden Erfolg ihres Buches „Älter werden“. Er gab den Anstoß, dass sich die inspirierte Literaturwissenschaftlerin und brillante Essayistin allmählich in eine Schriftstellerin verwandelt hat, von Buch zu Buch, lustvoll und doch nicht ohne Skepsis gegen dieses Unterfangen.

Nach „Verschwunden“ und „Wer Weiß Was“ legt die 1946 geborene Autorin nun ihr drittes belletristisches Werk vor. „Wie geht es Georg Laub?“ ist ein Schelmenstück über das Schriftstellersein in Zeiten medialer Vernetzung, eine subtile Posse, um es mit einer contradictio in adjecto genauer auszudrücken. Georg Laub, die Hauptfigur des aus disparaten Textsorten zusammengefügten Romans, hat es als Schriftsteller zu Ruhm gebracht. Eine Zeit lang hat er das genossen, nun aber ist er an einem Punkt angelangt, an dem er sich selbst nicht mehr ernst nehmen kann. Der Vorschuss fürs nächste Buch ist verbraucht, ohne dass er eine Idee hätte, worüber er schreiben soll, seine Ersparnisse sind seit dem Börsencrash arg angenagt. So macht er aus der Not eine Tugend. Er beginnt zu knausern. Und siehe da: „die Verkargung" wird ihm zum Bedürfnis, zum Stil gar, zum Prinzip. Das Schicksal beziehungsweise die Autorin will es, dass er just in dieser Lebenskrise ein schäbiges Reihenhaus erbt. So gibt er das teure Loft in Frankfurt auf und zieht nach Berlin, in einen spießigen Kiez, wo es die Eckkneipe „Frieda“ gibt, einen Zeitschriftenladen und einen Arzt, von dessen Praxis man direkt in sein Fenster sieht.

Bovenschen braucht kaum mehr als diesen Straßenzug und ein knappes Dutzend Komparsen, um ihren Protagonisten in die Enge zu treiben. Die heruntergekommene Parterrewohnung des Häuschens, dessen obere Etagen vermietet sind, an eine unbedeutende Nebenfigur und an die sehr bedeutsame Stella Remota, in die sich der Held so peinvoll verliebt, dass er in nächtlichem Fieberwahn hemmungslos die Wand des Treppenhauses fickt, wird vom Rückzugsort zum Purgatorium. Die Welt dringt auf infame Weise in die Höhle ein, in der sich Georg Laub vom abgehalfterten Erfolgsautor in einen gleichsam natürlichen Menschen ohne Rollenzwang zurückverwandeln wollte.

Es ist eine Art adornesker Rebirthing-Slapstick, den die Adorno-Schülerin augenzwinkernd inszeniert, als Wechselspiel zwischen Innen und Außen. Mal kriecht der Erzähler in die Wohnung hinein, in deren Mitte ein ovaler, von einem früheren Bewohner rüde in die Wand geschlagener Krater prangt, mal nimmt er den Helden von außen in Augenschein und macht sich über ihn lustig.

„Wie geht es Georg Laub?“ ist ein Spiel mit der auktorialen Allmacht, das auch die Anstrengung, eine Figur zu erfinden, in Szene setzt. Manchmal wirkt es, als peitsche sich die Autorin selber an, nun doch mehr zu bieten, als den Slapstick der von allen Zwängen befreiten Erfindungsgabe. Sie hat Spaß an ihrer Posse, besonders an den Männlichkeitsgesten ihres Helden, das merkt man, aber auch, dass manches Problem durchaus ihr eigenes sein könnte: Welches Bild gibt man ab, auch und gerade als öffentliche Person, die untilgbare Spuren im Netz hinterlässt? So merkt Laub eines Tages, dass ein Berliner Kneipenkumpel seinen Namen in eine Suchmaschine eingegeben haben muss. Anders ist es nicht zu erklären, dass er auch über Vorlieben und Abneigungen Bescheid weiß, von denen er ihm nie erzählt hat. Bevor er abtauchte, wollte er eine „Liga gegen die Banalisierung des kulturellen Lebens“ gründen. Doch entspricht die programmatische Verkargung seines Lebens nicht genau der Sprachverarmung, die er den Medien vorwirft?

Es passt zu Silvia Bovenschen, dass sie, kaum hat man sie zur Schriftstellerin gekürt, an einem fiktiven Alter Ego überprüft, ob sie da nicht zum „Auslaufmodell“ geworden ist, womöglich gar zu einer lächerlichen Figur, die gegen die allgemeine Sprachverflachung keine Chance hat. Eine Truppe von vier Multimedia-Künstlern spukt durch ihren Roman und befeuert ihn mit bösen Tiraden, die sich auch gegen das eigene Projekt als ein „Schmierentheater“ des kulturkritischen Abgesangs richten.

Das ist gewieft und amüsant, wenn auch gelegentlich ein wenig läppisch. Silvia Bovenschen ist mit ihrem Roman nicht ganz auf der Höhe ihrer Fertigkeiten. Es fehlt ihm die eigene Stimme, jener aus Erfahrung gespeiste Stil unaufdringlichen Feinsinns und unprätentiöser Klugheit, der in „Über-Empfindlichkeit“, ihrem großen Buch über die „Spielformen der Idiosynkrasie“, so betörend klingt.

Silvia Bovenschen: Wie geht es Georg Laub? Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2011. 285 Seiten, 18,95 €.

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