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Kultur: Budenzauber

Eine Moskau-Operette im Schillertheater.

Sascha und Mascha sind verzweifelt: Obwohl sie verheiratet sind, können sie nicht zusammenleben – sie bekommen einfach keine Wohnung zugewiesen. Dann aber stürzt das marode Dach von Saschas Behausung ein, und die Behörden zeigen sich endlich gnädig: Zwei Zimmer in der Satellitenstadt Tscherjomuschki – das junge Paar schwebt im siebten Himmel!

1958, im Frühling der ach so kurzen sowjetischen Tauwetterperiode, hat Dmitri Schostakowitsch eine Operette über Moskauer Mietermartyrien geschrieben. Ein rasantes Stück, in dem er nicht nur die stilistischen Eigenheiten seiner russischen Komponistenvorgänger parodiert, sondern auch von der Polka bis zum Tango alle Modetänze seiner Zeit verwurstet. Ralf Böhmes Arrangement der Partitur für Bläser-Combo (und zwei tapfere Streicher) passt gut zur „Moskau Tscherjomuschki“-Aufführung der „Jungen Staatsoper“ in der Werkstatt des Schillertheaters. Weil sie einerseits verdichtet und gleichzeitig wie improvisiert klingt (Dirigentin: Ursula Stigloher). So wirkt auch die Inszenierung: Comichaft überzeichnete Figuren, Jugendtheaterbetriebsamkeit, aber auch ein paar schöne, stille Momente, in denen das Überzeitliche der Story deutlich wird.

Das Ringen um ein wenig privaten Raum nämlich, um einen Ort, den man Heimat nennen mag. Fragen nach Herkunft und Zugehörigkeit standen am Anfang des Education-Projekts „Charlottengrad“, bei dem besonders Jugendliche mit russischen Wurzeln angesprochen wurden. Jetzt wuseln neben den zehn Solistenprofis auch 23 Kids im Alter von 14 bis 21 Jahren zwischen der Bühnen-Installation aus Abflussrohren herum (Ausstattung Stephan von Wedel) und bilden einen klangvollen Arbeiterchor, der mal stolz das eigene Bauwerk besingt, mal wütend gegen Funktionärswillkür protestiert. Die Lebenswirklichkeit der jungen Darsteller dagegen ist in der Produktion kein Thema, Spielleiter Neco Celik belässt es beim real sozialistischen Buden- zauber in einem sentimental verklärten Operettenrussland. Wobei einige seiner Regieideen dem flüssigen Ablauf des zweieinhalbstündigen Abends eher im Wege stehen, besonders sein Hang zu Slapstick-Endlosschleifen (weitere Aufführungen am 5./6., 8./9., 11., 13., 15. sowie 17. Mai). Frederik Hanssen

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