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Kultur: Bücherliebe

Zum Tod des Sammlers Bernd H. Breslauer

Von den Rassegesetzen wollte er nie etwas wissen. Dass sie 1935 definierten, wer Jude und wer Deutscher ist, ließ ihn, den am 1. Juli 1918 in Berlin geborenen Antiquar Bernd H. Breslauer, ziemlich kalt. Sprachbegabt und von Literatur fasziniert, ging er 1937 als 19-Jähriger nach London, wo der Vater, Martin Breslauer, 1940 einem deutschen Bombardement zum Opfer fiel. Der Sohn führte die 1898 gegründete Firma des Vaters im Londoner Exil und später dann in New York weiter – und wurde schnell selbst ein Experte auf dem Gebiet der Buchkunst.

Nach britischem Militärdienst konnte er sich rasch bei Sammlern als einer der kenntnisreichsten und fantasievollsten Antiquare durchsetzen. Bei Autoritäten wie Sydney Cockerell, Eric Millar oder Francis Wormald hatte er seinen Blick für Bücher und Buchmalerei geschult. So war er denn bald für bedeutende Sammlungen tätig, darunter die leider inzwischen wieder weitgehend aufgelösten Bibliotheken Schäfer in Schweinfurt und Beck in Stuttgart.

Breslauer war Händler und Sammler in einer Person – eine schwierige Doppelleidenschaft. Kernstück bildete das Gebiet der älteren Bibliografie in bedeutenden Einbänden. Dazu hatte er seinen Sinn auf Miniaturen gerichtet, so dass ihn in seiner New Yorker Wohnung schließlich die ganze Buchmalerei des Westens vom 11. Jahrhundert bis in den Manierismus umgab. Über 100 Nummern führt der Katalog auf, mit dem die Pierpont Morgan Library Bernd Breslauer zum Jahreswechsel 1992/93 ehrte. Dieser Bibliothek war er eng verbunden wie auch der Berliner Staatsbibliothek, welche von ihm 1998 die historisch bedeutenden Teile des Firmenarchivs erhielt.

Die Freie Universität Berlin hat Bernd H. Breslauer im Sommer 1995 zum Ehrendoktor ernannt. Junge Kunsthistoriker aus der Heimat hat er in New York gern empfangen und gefördert. Die Schätze, die er angehäuft hatte, sollten in einer Welt, die Bibliografie fast nur noch mit dem Computer betreibt, zur Stiftung eines Lehrstuhls für die klassische Lehre vom Buch an der Universität von Kalifornien dienen. Doch zu der großen Schlussauktion wird es nicht mehr kommen, auch einen nach ihm benannten Lehrstuhl wird es wohl nicht geben.

Am 14. August ist Bernd Hartmut Breslauer im Alter von 86 Jahren in New York gestorben. Nur wer ihn gekannt hat, weiß, was denen entgangen ist, die das intellektuelle Vergnügen einer Begegnung nicht hatten.

Eberhard König

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