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BÜCHER VON MITARBEITERN: BÜCHER VON MITARBEITERN

Kolja Mensings Buch „Die Legenden der Väter“Kolja Mensing war sechs Jahre alt, als er den Namen Józef Koulik zum ersten Mal hörte. Sein Vater kam in sein Zimmer und erzählte ihm, dass dieser Józef Koulik sein wirklicher Großvater sei, nicht der Mann, den Mensing bislang für seinen Großvater gehalten hatte und bei dem er zusammen mit seinen Eltern gerade zu Besuch war.

Kolja Mensings Buch

„Die Legenden der Väter“

Kolja Mensing war sechs Jahre alt, als er den Namen Józef Koulik zum ersten Mal hörte. Sein Vater kam in sein Zimmer und erzählte ihm, dass dieser Józef Koulik sein wirklicher Großvater sei, nicht der Mann, den Mensing bislang für seinen Großvater gehalten hatte und bei dem er zusammen mit seinen Eltern gerade zu Besuch war. „Es war eine abenteuerliche Geschichte mit einem unglaublichen Ende“, erinnert sich Mensing.

„Mein Vater erzählte mir, dass mein Großvater als junger Mann nach dem Überfall der Deutschen auf Polen sein Heimatland verlassen habe. Er sei mit falschen Papieren über die Karpaten nach Ungarn, Rumänien und Jugoslawien bis nach Griechenland geflohen und habe sich schließlich in Palästina den britischen Truppen angeschlossen, um gegen die Deutschen zu kämpfen. Als der Krieg vorbei gewesen sei, erklärte mein Vater mir, sei Józef mit der britischen Armee nach Deutschland gekommen und habe in Fürstenau meine Großmutter kennengelernt. Sie hätten ein Kind bekommen, ihn, meinen Vater. Kurz darauf sei Józef in sein Heimatland zurückgekehrt.“

Dieser „abenteuerlichen Geschichte“ geht Tagesspiegel-Autor und „Verbrecherjagd“-Kolumnist Kolja Mensing jetzt in seinem neuen Buch „Die Legenden der Väter“ nach – und erfährt dabei, dass in der Lebensgeschichte von Jósef Koulik tatsächlich sehr viel Abenteuerliches steckt. Aber auch, dass nicht alles stimmt, was Koulik selbst, aber auch Mensings Vater darüber in den familiären Umlauf gebracht hat. Kolja Mensing recherchiert im ehemaligen Oberschlesien, der Heimat Kouliks, und er erzählt die Geschichte des polnischen Teils seiner Familie, die entscheidend von der Geschichte Polens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt wird, zum Beispiel von der Teilung Oberschlesiens nach dem ersten Weltkrieg in eine deutsche und eine polnische Hälfte, vom Überfall der Wehrmacht auf Polen 1939, von Polen als Teil der sozialistischen Welt Osteuropas. Und er rekonstruiert die Jahre Kouliks im Zweiten Weltkrieg und kurz danach, da dieser vom „Beutekameraden“ der deutschen Wehrmacht zum Soldaten der polnischen Exilarmee wird und als solcher im niedersächsischen Fürstenau Mensings Großmutter Marianne kennenlernt.

Nicht zuletzt ist Kolja Mensings „Die Legenden der Väter“ auch ein Buch über den eigenen Vater und dessen Erinnerungen an seine Jugend, dessen für ihn vielleicht lebensnotwendiges Festhalten an bestimmten Familienlegenden – und darüber, wie schwer es überhaupt ist, „das Geflecht von widersprüchlichen Geschichten und einzelnen, unverbundenen Erinnerungen“ zu entwirren. Tsp

Kolja Mensing

Die Legenden der

Väter. Eine Suche.

Aufbau Verlag,

Berlin 2011.

234 Seiten, 18,99 €

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