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Bayreuth: Ein "Holländer" aus der Krabbelkiste

Die Bayreuther Festspiele werden dieses Jahr erstmals eine Oper für Kinder aufführen. Die Wahl fiel, wen wundert’s, auf den „Fliegenden Holländer“, die eigens eingerichtete Fassung der romantischen Oper wird eineinviertel Stunden Musik und einen Erzähler haben und – einen geänderten Schluss.

Wenn wir jetzt bös’ wären – aber das sind wir nicht, weil wir uns natürlich darüber freuen, dass um den Grünen Hügel spätestens mit diesem Sommer ein frisches Windchen pfeift –, dann würden wir diese Veranstaltung als Menetekel nehmen. Dafür, dass bei den Bayreuther Festspielen alles bleibt, wie es ist (nämlich, von den alteingewachsenen Strukturen her, „faschistisch“, wie Christoph Schlingensief Montagabend in der ARD bemerkte); dafür, dass die neue Festspielleitung sich in erster Linie als oberflächenkompetent erweist; und dafür, dass es keine weniger kindgerechte Musik, keine verfänglicheren Bühnenthemen gibt (Liebestränke! Venushügel!) als bei Richard Wagner.

Der gediegene Ort des Geschehens: der „Capital“-Club im Hilton am Gendarmenmarkt. Auf dem Podium: Vertreter der Fair-Play-Stiftung, die beratende Gertrud Höhler, Alexander Busche als Marketingchef der festspieleigenen BF Medien sowie ein junger Regisseur (Alvaro Schoeck) und ein junger Dirigent (Michael Köhler). Nicht auf dem Podium, schöne Grüße an die Lufthansa: Katharina Wagner. Auch nicht auf dem Podium und als Wagnerianer bislang kaum aufgefallen, aber neben Peer Steinbrück Schirmherr des Ganzen und per Videobotschaft präsent: Dieter Thomas Heck.

Das Projekt: Auf der Probebühne IV werden die Bayreuther Festspiele dieses Jahr erstmals eine Oper für Kinder aufführen. Die Wahl fiel, wen wundert’s, auf den „Fliegenden Holländer“, die eigens eingerichtete Fassung der romantischen Oper wird eineinviertel Stunden Musik und einen Erzähler haben und – einen geänderten Schluss. Dass Senta im Original ins Wasser geht, könne und wolle man den Wagner-Kindern nicht als Botschaft auf ihren weiteren Wagnerweg geben. So heilig ist die Wagner-Kinder-Kunst.

Premiere ist am 25. Juli, dem traditionellen Festspieleröffnungstag, um 12.30 Uhr, zehn weitere Vorstellungen folgen. Bayreuth wäre nicht Bayreuth, wenn nicht auch diese 2000 Karten gleich am ersten Tag ratzeputz ausverkauft gewesen wären. Unterfüttert wird das Projekt deutschlandweit mit Workshops an Schulen und Horten. Einer der ersten fand gleich gestern in der evangelischen Grund- und Realschule in Steglitz statt – geleitet von Katharina Wagner („gerade muss sie gelandet sein!“).

Außerdem werden Kinder im Sinne eines „kreativen Prozesses“ mit an der Herstellung der „Holländer“-Kostüme beteiligt sein. Eine aparte Idee, dass die lieben Kleinen von der Bühne weg nach Hause stürmen, um ihre hochkulturell abgestumpften Eltern, Geschwister, Haustiere und Lehrer zu missionieren. Bildungsarbeit einmal andersherum.

Gesponsert wird das Projekt in der Hauptsache von Audi und Playmobil. Für nächstes Jahr indes hat man seine Netze bereits in Richtung „fashion“ ausgeworfen, berichtet Gertrud Höhler. Designerstoffe fürs Wagner-Wams, das wär’s. Dann wird es als Spielstätte vor Ort auch einen neuen Mehrzweckbau geben, um das Ganze zu professionalisieren. Als kleinen Vorgeschmack bekommen die Berliner Medienvertreter derweil erst einmal zwei Playmobil-Piraten in die Hand gedrückt: Nr. 4293 mit Schatztruhe und Nr. 4671 mit Fackel. Wie sagte Nike Wagner doch so schön? Sie glaube nicht daran, dass der Grüne Hügel sich „erkrabbeln“ lasse. 

Christine Lemke-Matwey

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