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© Eventpress Hoensch

Così fan tutte: Christoph Hagel im E-Werk

Sex, Lügen und TV: Wie Christoph Hagel "Così fan tutte" im E-Werk zum Opernevent macht. Was bleibt? Wahrlich kurzweilige Unterhaltung mit der wenig neuen Erkenntnis, dass E- und U-, dass Nietzsche und Uhse in Berlin problemlos zusammengehen.

Friedrich Nietzsche muss sich an diesem Abend im Grab umgedreht haben. „Eine Frau will immer etwas Besonderes sein. Nicht einmal darin unterscheidet sie sich von den anderen“, doziert Fernsehregisseur Alfonso und es entbrennt dann tatsächlich eine Diskussion, ob wir diese Erkenntnis nun Nietzsche oder doch Beate Uhse zu verdanken haben. Ist doch fast dasselbe, lautet ungefähr das Ergebnis.

Nietzsche und Uhse, Mozart und Mediengeilheit. Damit sind die Pole von Christoph Hagels „Così fan tutte“- Inszenierung im E-Werk schon umrissen. „Sex, Lügen und TV“ heißt es passenderweise im Untertitel und, um es gleich zu sagen: Wem das zu plakativ ist, der ist hier falsch. Um eine subtile Überführung des da Ponte’schen Stoffes in die medienkapitalistische Welt des 21. Jahrhunderts geht es nicht. Mozart auf populäre Weise befragen, lautet das selbst erklärte Ziel Hagels, der das vor zwölf Jahren schon mit „Don Giovanni im E-Werk“ so gemacht hat. Dass die inszenatorischen Frageformen dabei mitunter nach Boulevard klingen, ist konsequent. Und dennoch: Der Eindruck von künstlicher zu gewollter Kontrastmalerei kommt an diesem Abend immer wieder auf.

Hagel katapultiert die Wette der Generäle um die vermeintlich unerschütterliche Treue ihrer Verlobten in eine telegene Hochzeits-Show. Kevin und Doro, Leon und Mandy: Zwei Paare, die sich die Liebe fürs Leben live im Fernsehen schwören wollen. Dazu Alfonso als sensationsgieriger Regisseur, dem Fremdgehen viel mehr Quote bringt als langweiliges Heiraten, und Despina, seine Maskenbildnerin und perfide Assistentin. Für den realen Touch in diesem durchtriebenen TV-Spiel um Ehebruch und Ehevertrag sorgt Alfred Biolek, der sich in seiner kleinen Sprechrolle als Moderator der Hochzeitsshow selbst spielt: zwischen Medienmarionette und dem Idealismus eines Fernsehmachers der alten Garde.

Dass „Così fan tutte“ nicht gerade eine ereignisreiche Oper ist, dass innerliche Befindlichkeiten und die unterschwellige Komik wechselnder Konstellationen weit wichtiger sind als äußere Geschehnisse, steht dieser eventorientierten Konzeption natürlich im Weg. Deshalb ist es durchaus ein Verdienst von Hagel, Mozarts musikalische Slow-Motion-Dramaturgie und die Hektik der Gegenwartsthematik bewusst nicht gegeneinander auszuspielen. Zwar ist das Libretto ordentlich gekürzt, alle (!) Rezitative gestrichen und durch Sprechtheater-Passagen ersetzt, Hagel kommt aber mit zwei Bühnenbildern aus (Marcel Kaskeline) und vermeidet allzu grobe Handlungssprünge.

Der Focus liegt auf den Protagonisten und ihren Charakterwandlungen zwischen Moral, Geld und sexueller Gier. Das Problem: Mit Ausnahme Alfonsos (David Arnsperger mit inbrünstigem Bariton) und der authentischen Jünglings- naivität in Kevins Tenor (Kai-Ingo Rudolph) können insbesondere die jungen Sänger mit charakterlichen Eigenheiten nicht überzeugen. Während Dorothee Schlemm und Astrid Kessler sowie Christian von Oldenburg durchweg zu glatt und farblich austauschbar bleiben, fällt Anna Gütter mit kraftlosem Sopran noch dahinter zurück. Eklatant werden die Gestaltungsmängel besonders außerhalb der Ensemblenummern, wenn Entwicklungen der Charaktere in den Einzelarien keine musikalischen Niederschläge finden. Die Berliner Symphoniker, von Hagel selbst dirigiert, überspielen mit sauber gewebten Orchesterteppichen die in Mozarts Musik so zahlreich vorhandenen Handlungskommentare.

Was bleibt also, außer wahrlich kurzweiliger Unterhaltung mit der wenig neuen Erkenntnis, dass E- und U-, dass Nietzsche und Uhse in Berlin problemlos zusammengehen? In diesem durchgestylten Opernevent ist es vor allem die vertane Chance, da Pontes Libretto gegenwartskritisch zu lesen und seine Thesen zu Moralverfall und aufklärerischem Rationalismus in unsere mediale Erlebnisgesellschaft zu übertragen. Das ist mit Hagels Pop-Ansatz keineswegs unvereinbar.

Bis 20. Dezember, Di-Sa 20 Uhr, So 18 Uhr. Infos unter: www.cosi-im-ewerk.de

Daniel Wixforth

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