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Die Freiheit und ihr Preis: Norrington und die Junge Deutsche Philharmonie

Was bedeutet das, Freiheit? Sich entscheiden zu dürfen! Die Musiker der Jungen Deutschen Philharmonie gewinnen neben ihrem Studium nicht nur wertvolle Erfahrung im Orchesterspiel. Sie übernehmen auch die Verantwortung für die Programmplanung, die Solisten- und Dirigentenauswahl.

Ihre Frühjahrstournee stellen die Nachwuchsmusiker unter das Motto „Frei, aber einsam“: ein Lebensmotto, das Johannes Brahms in viele seiner Werke eingeflochten hat. Eine Herausforderung.

Die Junge Deutsche Philharmonie stellt sich ihr unter Leitung von Roger Norrington, einem besessenen Musikforscher mit leidenschaftlichem Aufklärungsdrang. Er liebt es, für seine Erkenntnisse aus der historischen Aufführungspraxis zu werben und hat selbst deutschen Rundfunkorchestern das allgegenwärtige Vibrato abgewöhnt – mit Charme und hinter Lockerheit gut getarntem Fanatismus.

Seine Interpretation von Brahms’ dritter Sinfonie wird in der Philharmonie zur großen Schwingübung. Der Klang schwillt unmerklich nicht seiner vollen Intensität entgegen, er nimmt Anlauf. Norrington gelingt es, mit einigen wenigen Absprungpunkten große Wirkung zu entfachen, weil die Junge Deutsche Philharmonie ihre Freiheit zu nutzen weiß. Die Streichergruppen agieren verschworen, die Bläser (Horn! Oboe!) reif und inspiriert. Doch neben allen beherzten Klangentscheidungen und wagemutigen Sprüngen auf der Erregungsskala wächst ein kühler Schatten heran und legt sich über manch melancholisches Detail der Dritten. Norrington entschiedet sich, darüber hinwegzudirigieren. Frei, aber unnahbar.

Etwas mehr Sentiment hätte auch Béla Bartóks zweitem Violinkonzert nicht geschadet, um für den splittrigen Orchesterpart des Stückes zu begeistern. Norrington aber hält sich vornehm zurück und lässt Carolin Widmann den größten Teil der Arbeit tun. Und diese hochkonzentrierte Virtuosin versenkt sich mit Hingabe – und Vibrato – in ihren einsamen Part. Nicht ohne befreiende Ironie die Zugabe: Das Lohengrin-Vorspiel zum dritten Aufzug fegt herrlich aufgekratzt vorbei. Ein tagheller Spuk. Ulrich Amling

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