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Kapelle der Versöhnung: Rainald Grebe im Gorki

Es ist ja nicht so, dass noch keiner das Kinderyoga in Prenzlauer Berg abgewatscht, die Nähe der Kastanienallee zur „Castingallee“ festgestellt oder sich über Öko-Spießer lustig gemacht hätte. Doch Rainald Grebe hebt das auf eine ganz andere Ebene.

Eigentlich droht derartigen Klischee-Jongleuren seit Jahren die kulturelle Höchststrafe: mitleidiges Abwinken. Aber dann betritt der Regisseur, Comedian und Ex-Theaterdramaturg Rainald Grebe mit seiner „Kapelle der Versöhnung“ nebst drei Schauspielern die Bühne des Berliner Maxim-Gorki-Theaters, singt über Kinderyoga, „Biofeuerwerke“, die „Castingallee“ und den Drang der stylishen Berliner Mitte zum Gehöft in Brandenburg – und man lacht sich tot!

Wie das? Klar: Grebe & Co. verfügen über begnadete Performance-Qualitäten. Und ihre Hymnen aufs Landleben kippen eimerweise Wasser auf misanthropische Kritikermühlen: „Die neuen Schnittmuster sind da, Ulla näht indische Kleider; auf dem Dorf kennt Kultur keine Grenzen – leider“. Aber das allein kann es nicht sein; tolle Pointen und schräge Choreografien bringen andere auch.

Im Grunde ist es ganz einfach: Sobald Grebe den peinlichen Ökostrom-Klaus oder die nervige Holzspielzeug-Trulla an den Lächerlichkeitspranger stellt, stellt er sich ganz selbstverständlich dazu. Wann immer die Rede auf die alternative Kulturschickeria kommt, schiebt Grebe gleichsam „also wir“ nach. Eigentlich ein Klacks, sollte man meinen. Aber je länger man diesem „Konzert für Städtebewohner“ lauscht, in dem die Gorki-Schauspieler Britta Hammelstein, Johann Jürgens und Ronald Kukulies so erstklassig mitmischen, als verstärkten sie die „Kapelle der Versöhnung“ schon seit Jahren, desto klarer wird, wieso man in anderen Zuschauerräumen so oft über falsche Töne nachdenkt: Trullas, Dorftrottel, Steuerberater und arrivierte Kulturheinis finden viele Theater en masse und überall – außer in der eigenen Kantine. Und deshalb macht diese schräge, selbstironische, schwer identifikationstaugliche Gorki-Antwort auf den typischen Stadttheater-Liederabend à la Franz Wittenbrink einfach unglaublichen Spaß.

Im Trend liegen Grebe nebst Gitarrist Marcus Baumgart und Schlagzeuger Martin Brauer mit ihrem Appell „Zurück zur Natur“ sowieso. Nicht nur Biosupermärkte, sondern auch Zeitschriftenläden verkaufen zurzeit nichts so prächtig wie die Sehnsucht des besserverdienenden Berliners nach glücklichen Kartoffeln und einem Wassergrundstück in Brandenburg. Nur bitte, nach Möglichkeit, ohne echte Dörfler am Mittagstisch!

Wieder 6.2., 21 Uhr u. 16.2., 19.30 Uhr

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