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Klassische Musik: Wir sind so frei

Ein differenzierter Blick auf die Umbruchszeit: Demokratie wagen mit dem Freiburger Barockorchester.

„Haydn am Vorabend der Revolution“: So hat das Freiburger Barockorchester sein Programm im Kammermusiksaal der Philharmonie übertitelt. Werden die Musiker die Tatsache, dass Haydns Sinfonien im Paris der späten 1780er Jahre Furore machten, als Vorwand dafür benutzen, um diese Musik mit ruppigem Strich populistisch aufzubrezeln? Die Sorge ist unberechtigt: Schon die bestechende Idee, zwei Haydn-Sinfonien mit Werken führender Musiker der Revolution zu kombinieren, zeigt, dass es den Musikern um einen differenzierten Blick auf die Umbruchszeit geht. Melodisch mitreißend aber formal konservativ kommen Stücke wie die konzertante Sinfonie über Revolutionslieder von Jean- Baptiste Davaux daher. In Haydns 88. und 89. Sinfonie zeigen die Musiker hingegen, warum nur derjenige den Geist einer Revolution erfassen kann, der nicht nur den Triumph, sondern auch die Vorgeschichte zu schildern weiß.

Zaubert das Orchester in einer Ballettmusik des wendehalsigen Staatskomponisten Francois-Joseph Gossec noch plastische aber harmlose Genrebilder vor das geistige Auge, meint man im Largo von Haydns 88. Sinfonie eine in die Jahre gekommene Gesellschaft des Ancien Régime melancholisch beim Kaffee sitzen zu sehen. Wie kurz darauf die Fenster vor einem plebejischen Forte erzittern, wie sich die eingesponnenen Herrschaften nicht im Geringsten davon stören lassen und die Szene einer gespenstisch gewordenen Ordnung endet, das wirkt zeitlos aktuell. Wobei es den Musikern gelingt, all diese Facetten der Epoche ohne Dirigenten und nur mit Konzertmeister Gottfried von der Goltz als primus inter pares zu schildern. Arbeit am demokratischen Miteinander lohnt sich eben auch nach einer Revolution.

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