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"La Péri": Der müde Prinz

Überfluss und Überdruss, Luxus und Ennui: Vladimir Malakhov choreografiert "La Péri" für das Staatsballett Berlin.

Von Sandra Luzina

Überfluss und Überdruss, Luxus und Ennui: „La Péri“, Vladimir Malakhovs Neukreation für das Staatsballett Berlin, hätte nahtlos anknüpfen können an die derzeitige Dekadenz-Polemik – um sie um eine spätorientalische Variante zu bereichern. Denn dieses Ballett, zu dem Théophile Gautier das Libretto schrieb, entführt in ein märchenhaftes Morgenland, das für Opulenz und zügellose Sinnlichkeit steht. Prinz Achmed lagert vorzugsweise auf weichen Kissen in seinem prunkvollen Palast, während anmutige Odalisken mit Gesichtsschleier sich für ihn verbiegen.

Der träumende Prinz in seinem Ballett-Harem – das ist eine Rolle ganz nach Malakhovs Geschmack. Allerdings gibt er den Achmed von Anfang an als einen geläuterten Décadent, als Schwärmer, der sich nach einer anderen Seinsform sehnt. Dieser Tunix ist ermüdet von seinen Ausschweifungen – gelangweilt von seinen Lustsklavinnen verzehrt er sich nach einem unerreichbaren Luftgeist, nach der Péri.

Die Schwärmerei für das Exotische wie die Sehnsucht nach dem Esoterischen, dem Überirdischen gehen in „La Péri“ eine merkwürdige Verbindung ein. Als das romantische Ballett 1843 an der Pariser Oper uraufgeführt wurde, avancierte es zu einem ungeheuren Erfolg. „La Péri“ war damals beliebter als „Giselle“, geriet dann aber rasch in Vergessenheit.

Vladimir Malakhov hat bekanntlich ein großes Faible für das romantische Ballett. Die Idee, das unbekannte Werk für Berlin neu zu inszenieren, kam ihm, als er im Nachlass eines amerikanischen Musikalienhändler Friedrich Burgmüllers Partitur zu „La Péri“ fand. Choreografische Notationen von Jean Coralli sind freilich nicht überliefert, Malakhov ließ sich vor allem von den alten Lithographien inspirieren, die Carlotta Grisi als zierliche Elfe in bauchfreiem Kostüm zeigen.

Malakhovs Choreografie ist zwar eine Neukreation, doch an eine Neuinterpretation wagt er sich nicht heran. Er versucht, den romantischen Geist einzufangen, zu konservieren, indem er bestimmte Stilmerkmale, die Position der Arme, die Neigung des Kopfes nachahmt. Letztlich bleibt es schleierhaft, was ihn an dem Sujet interessiert. So bietet er vor allem Schauwerte auf, und das nicht zu knapp.

Jordi Roig, der das Bühnen- und Kostümbild schuf, schwelgt in Opulenz und Ornamentik, er schneiderte den Tänzern schmeichelhafte Gewänder auf den Leib. Sein Harem wirkt freilich sehr aufgeräumt und sittsam, gar nicht wie ein Sündenpfuhl. Gaststar Diana Vishneva vom Mariinsky Ballett St. Petersburg verleiht der Péri eine engelgleiche Anmut. Entrückt und verzückt schwebt sie über die Bühne und entschwindet wieder – ein flüchtiges Traumbild, eine zerbrechliche Vision, dem der von Opium benebelte Achmed vergeblich nachjagt. Mit Zartgefühl und großem Können interpretiert Vishneva die stilistischen Finessen. Kaum scheint sie mit dem Spitzenschuh noch den Boden zu berühren, so losgelöst von allem Irdischen erscheint sie. Diesem ätherischen Geschöpf steht die Verführungskunst der Haremsdame Nourmahal gegenüber, die von Beatrice Knop mit gewohntem Raffinement verkörpert wird. Doch die Geschichte von „La Péri“ ist recht verzwickt – und es erschließt sich im weiteren Fortgang nicht unbedingt, dass sich hier zwei Sphären berühren, das Sinnliche und das Übersinnliche.

Der angebeteten Péri genügt es nicht, sich dank eines Zaubers begehrt zu wissen. Deshalb schlüpft sie in den Körper der getöteten Sklavin Leila, die mit der Seele der Péri wiederaufersteht. Der Prinz verliebt sich prompt in Leila und erzürnt damit seine Favoritin Nourmahal. Das Problem des Abends: Weder vermag einen die Story mit ihrer KörperGeist-Problematik zu packen, noch ziehen die Tanzszenen in Bann. Auch die robuste Musik von Burgmüller lohnt eigentlich nicht die Wiederentdeckung.

In den Szenen, die in den Gärten der Péris spielen – sie gelten als Inbegriff des orientalischen Paradieses –, flicht Malakhov Girlanden aus Bewegung, bis die holde Elfenschar zum kitschigen Tableau gefriert. Malakhov und Vishneva sind zwar ein wunderschönes Paar, doch ihr Zusammenspiel bleibt im Preziösen stecken. Und bei seinen Solovariationen wirkt der Tanzstar eher zurückgenommen. „La Péri“ stöbert im Ballettbazar – das Tänzerparadies tut sich nicht auf.

Weitere Vorstellungen 4., 11., 12. März, 13. und 15. April, jeweils 19.30 Uhr

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