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Oper: Auf nach Charlottenburg!

Ein buffonesker Abend mit Barenboim & Flimm: Beim "Tag für Jürgen Flimm" in der Akademie der Künste durfte gelacht werden.

In Berlin werden zu wenig komische Opern gespielt. Eine löbliche Ausnahme war am Samstag beim „Tag für Jürgen Flimm“ zu erleben, den die Akademie der Künste ihrem Mitglied ausrichtete. Dankbar nimmt das zahlreich erschienene Publikum die kleine Farce auf, die da im Hanseatenweg gegeben wird: „Zwei Selbstdarsteller zerlegen einen Moderator“, von und mit Staatsopern-Lenker Daniel Barenboim und seinem künftigen Intendanten Jürgen Flimm. Als Stichwortgeber ist „Opernwelt“-Chefredakteur Stephan Mösch engagiert worden, der sich redlich müht, eine Diskussion um die Zukunft der Oper anzuschieben. Insistierend stellt er kritische Fragen, die beiden Protagonisten antworten ihm mit Spott, Häme – oder auch gar nicht.

Commedia-dell’arte-Qualitäten hat Barenboims Elfenbeinturm-Blick auf Berlin: Als Mösch wissen will, wie er Belegschaft und Stammklientel den Umzug von Mitte nach Charlottenburg vermitteln will, liefert der Chefdirigent ein echtes Pantalone-Kabinettstückchen ab. „Ost! West! Ich will das nicht mehr hören!“, poltert der Maestro. „Das klingt, als bräuchte man ein Visum! Das Gejammer höre ich auch in der Staatsoper ständig: Wir müssen in den Westen – als ob das ansteckend wäre!“ Genau dieses Denken sei es, was Berlins Entwicklung blockiere. Ein Ekelanfall à la Louis de Funès schüttelt den Star auch bei der Frage nach einem Konzept für die Zeit außerhalb des Stammhauses: „Das Profil eines Theaters entscheidet sich an jedem Abend, bei jeder Vorstellung neu!“ Und die Frage, wie sich die Staatsoper von der innerstädtischen Konkurrenz abgrenzen könne, interessiere ihn nicht. Seinem Publikum gehe es genauso. Solche Dinge, fügt er listig hinzu, sagt er nicht, um Applaus einzuheimsen: „Wenn ich dirigiere, klatschen die Leute viel lauter.“

En passant sind an diesem buffonesken Abend Details zur Spielplangestaltung zu erfahren. Zum Start im Ausweichquartier wird es im Herbst 2010 eine Uraufführung geben, in Koproduktion mit der Mailänder Scala entsteht ein neuer „Ring“. Andrea Breth hat zugesagt, Flimm will sich auch um Luc Bondy bemühen. Die Idee, hier einen Schwerpunkt auf Opern zu legen, die nach Schiller-Dramen entstanden sind, hat Flimm verworfen, lieber will man sich mit Schauspielmusiken beschäftigen. Barenboim fallen da spontan Shakespeares „Sommernachtstraum“ (mit Mendelssohns Musik) und Hofmannsthals „Bürger als Edelmann“ (mit Richard Strauss’ Musik) ein. Außerdem will er künftig keine Spezialisten-Orchester mehr für die beliebten Barockopern-Produktionen der Staatsoper engagieren. Stattdessen soll aus den Reihen der Staatskapelle eine Formation rekrutiert werden, die sich mit historischer Aufführungspraxis auseinandersetzt.

Die Exilanten wollen auch den Charlottenburger Kiez aufmischen: weil diese einst so tolle Ecke der Stadt inzwischen müde wirkt, so Flimm. 18 Stunden am Tag soll das Schiller-Theater ein open house sein. Barenboim fordert die Pressevertreter auf, ihm Ideen für eine Ganztagsbespielung zu liefern.

Natürlich singt der Maestro auch wieder die Da-capo-Arie über die hauptstädtische Opernstiftung, die er für absoluten Nonsens hält. In Jürgen Flimm hat er nun einen Mitstreiter gefunden, der ebenfalls der Meinung ist, die drei Häuser bräuchten keinen Generaldirektor, um miteinander ins Gespräch zu kommen: „Wir sind alles erwachsene Menschen, die genug Geld haben, um sich gegenseitig zum Essen einzuladen.“ Frederik Hanssen

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