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Theater: Immer wenn er Drogen nahm

Scheintiefsinn und Kifferpartys: In „Big Deal?“ im Grips Theater Mitte geht es nicht ausschließlich um Fragen von Schuld und Rausch.

Nicht der Kiffer ist kriminell, sondern die Gesellschaft, in der er lebt. Zumindest sieht Jan das so. Und der hat in seinem jugendlichen Furor gleich jede Menge zündender Weltverbesserungsideen zu bieten. Drogen sollten sämtlich legal sein, Kaffeebauern nicht ausgebeutet werden, und die Schule dürfte erst um zwölf Uhr Mittags beginnen.

Okay, der Junge raucht ziemlich viel, er ist das, was man in Fachkreisen als „chronischen User“ bezeichnet, aber seine dazugehörige Cannabis-Philosophie scheint ziemlich original aus dem berühmten Ratgeber „Schöner leben mit dem kleinen Arschloch“ des Comiczeichners Walter Moers zu stammen: „Haschisch ist keine Droge, sondern ein homöopathisches Mittel, das einer Dämonisierungskampagne zum Opfer gefallen ist.“ Pech nur, dass diese Sicht noch immer quer zum Betäubungsmittelgesetz steht und Jan von der Polizei auf einer Party im eigenen Haus beim Versuch erwischt wurde, eine größere Menge Dope im Klo verschwinden zu lassen. Jetzt muss er sich einer Drogenberatung unterziehen, als Dealer gilt er obendrein.

„Big Deal?“ heißt das Stück des kanadischen Autors David S. Craig, mit dem der Schauspieler Robert Neumann sein Regiedebüt am Grips Mitte vorlegt – eine dichte, sehenswerte Arbeit. Florian Rummel spielt den kleinkriminellen „Legalize it!“-Demonstranten als leicht aus der Bahn geratenen Trotzkopf im Vorwärtsverteidigungsmodus, Katja Hiller gibt mit anbiederungsfreier Kumpelattitüde die junge Drogenberaterin Alex de Gruijter, bei der Jan sich einzufinden hat. Dass Alex nicht nur selbst eine rauschaffine Vergangenheit hat, sondern auch noch unter permanentem Koffein-Jieper leidet und damit die gesellschaftskompatible Variante der Abhängigkeit repräsentiert, ist zwar ein bisschen dick aufgetragen. Aber der Schlagabtausch zwischen beiden, den Neumann mit hohem Tempo inszeniert, spielt locker über solche Unebenheiten hinweg. Dazwischen reißen Comicsequenzen, die der Bühnenbildner Max Julian Otto gestaltet hat, die Gegenwelt zum schäbigen Besenkammerbüro auf – furios-plakative Kurztrickfilme, die von Partyexzessen, Pubertätssehnsüchten und Fluchtwünschen erzählen.

Die Jugend mag Drogen, und die Erwachsenen mögen es, wenn die Jugend über ihre Drogenerfahrungen spricht. Möglichst authentisch natürlich, das hat ja zuletzt die Debatte über Helene Hegemanns „Axolotl Roadkill“ gezeigt – was sich hinter verschlossenen Berghain-Türen so Verruchtes tut, hui, das gibt der Phantasie Stoff. „Big Deal?“ verhandelt das Thema Dauerkonsum glücklicherweise sehr nüchtern, weder das Stück noch die Inszenierung suchen die coole Pose. Belehren oder moralisieren wollen sie auf der anderen Seite erst recht nicht. Alles Wissenswerte über die bis ins dritte Jahrtausend vor Christus zurückreichende Cannabis-Historie hat man am Grips als Diskussionsvorlage ins Programmheft gepackt, auch über die Folgen psychischer Abhängigkeit von Joints und Artverwandtem wird dort aufgeklärt, etwa: „An die Stelle geordneten Denkens tritt häufig eine Art Scheintiefsinn“. Wobei, das Problem trifft man ja in vielen gesellschaftlichen Bereichen an.

Es ist nicht so, als ginge es in „Big Deal?“ ausschließlich um Fragen von Schuld und Rausch. Das eigentlich Berührende ist der Vater-Sohn-Konflikt, der erzählt wird. Denn Jans Vater – den Thomas Ahrens als hilflosen, überforderten Wüterich spielt – hat selbst die Polizei gerufen, die seinen Sohn hops nahm. Nun belauscht er heimlich das Gespräch zwischen Alex und Jan und vermauert sich damit erst recht den Zugang, den er wiederzufinden hofft. Der finale Streit zwischen den beiden, in dessen Zuge der Vater dem Sohn gesteht: „Du fehlst mir“, kündet von einer schmerzhaften Entfremdung, die in den besten Familien vorkommt. Und die sich nur mit allseits klarem Kopf überwinden lässt.

Wieder am 27. (18 Uhr), 28. und 29. April (11 Uhr)

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