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Theater: Meggie lässt Locken

"Tintenblut“: Das Maxim Gorki Theater bringt den zweiten Teil der Tinten-Trilogie auf die Bühne. Mittelteile von Fantasy-Trilogien sind nicht selten die besten, weil schwärzesten.

Meggie, die junge Heldin aus Cornelia Funkes „Tinten-Trilogie“, diesem bibliophilen Phantasialand, sieht auf der Bühne des Maxim Gorki Theaters jetzt irgendwie anders aus als bei ihrem ersten Auftritt in Mark Zurmühles Adaption von „Tintenherz“. Sie hat ihre Brille und die Korkenzieherlocken verloren und ist erblondet, sprich: Sie hat die Verwandlung vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan nach dem Vorbild einer amerikanischen High-School-Romanze durchlaufen. Ob das allerdings ein ästhetisches oder gesellschaftspolitisches Statement sein soll, darf bezweifelt werden.

In „Tintenblut“, dem Mittelteil der Saga, wird die Buchbindertochter Meggie nicht mehr von Anika Baumann, sondern von Miriam Wagner gespielt. Überhaupt gibt es eine Reihe von Umbesetzungen. In einer Fernsehserie müsste man dafür jede Menge schwere Unfälle mit anschließender Gesichtsoperation erfinden. Auf der Bühne wird an die Vorstellungskraft appelliert. Regie führt diesmal Sascha Hergesheimer, aber die einzelnen Teile von Wagners Ring werden an vielen Häusern schließlich auch verschiedenen Regisseuren übertragen.

Hergesheimer, der am Gorki bereits die kindgerechte Antikapitalismus-Sciencefiction „Die Geschichte vom blauen Planeten“ inszeniert hat, knüpft, wie auch Funkes Buch, unmittelbar an das Happy End des ersten Teils an. Zur Erinnerung: Da ging es um Meggies vom Vater geerbte Gabe, Figuren aus Büchern „herauszulesen“, sie in der Wirklichkeit Gestalt annehmen zu lassen. Papa Mo hatte diese Fähigkeit dem falschen Buch angedeihen lassen, dem verhängnisvollen Werk Tintenherz, dessen finsteres Personal nun auf der Suche nach dem letzten Exemplar durch die Realität irrte und wieder hineingelesen werden wollte. Im Gegenzug war Meggies Mutter Resa in die Tintenwelt gesogen und dort gefangen genommen worden. Bis zur glücklichen Befreiung am Ende. Im zweiten Teil nun taucht Meggie in dieses literarische Paralleluniversum ein, gemeinsam mit dem schönen Farid, der seinen Freund Staubfinger – den kennt man als zwielichtigen Weltenwanderer aus Teil eins – vor Ungemach warnen will.

Staubfinger wird, wie auch Vater Mo, von Christian Kerepeszki gespielt. Überhaupt setzt Hergesheimer auf Doppelrollen, was erstmal aufgeht, weil dadurch die Figuren eine dunkel schillernde Zwillingsseite bekommen. Christina Große ist zugleich Meggies brave Bibliotheken-Tante Elinor und der kriegerische Natternkopf, der die Herrschaft im Buchstabenreich an sich reißen will. Iringó Réti ist ein finster lockender Orpheus und fröhlich gaukelnder Rußvogel. Thomas Fränzel gibt den netten Jungen Farid und den geheimnisvollen Prinzen Cosimo. Und Ulrich Anschütz spielt den Bösewicht Basta sowie den Schriftsteller Fenoglio, den Buch-im-Buch-Autor von Tintenherz. Dem entgleitet hier zusehends die eigene Kunst, wie einem Magier, der tatsächlich die Jungfrau zersägt. Wobei diesem Schöpfer-Motiv bei Funke deutlich mehr Raum gegeben wird als in der zweistündigen Spielfassung.

Mittelteile von Fantasy-Trilogien sind nicht selten die besten, weil schwärzesten, siehe „Das Imperium schlägt zurück“. An „Star Wars“ erinnert hier auch das Bühnenbild von Julia Ries, das aus drei Quadern besteht, die sich Richtung Bühnen-Unendlichkeit verjüngen, so wie die berühmte Vorspann-Schrift bei George Lucas ins All treibt. Das sieht gut aus – bloß spielt sich darauf nicht viel Spannendes, überhaupt wenig Aktion ab. Trotz guter Ideen wirkt es, als würde Hergesheimer Funkes überbordende Geschichte einmal querlesen lassen. Am ehesten noch berührt die Reifeprüfung der blonden Meggie: Sie tauscht mit Farid einen ersten Kuss, nachdem er ihr ein flammendes Ständchen gebracht hat, eine schräge deutsche Version von Johnny Cashs „Ring of Fire“.

Wieder am 13. April, 16 Uhr

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