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Volksbühne: Feder der Klamotte

Der neue Abend in der Volksbühnen-Agora heißt "Vögel ohne Grenzen". Und damit hat sein Regisseur, Jérôme Savary, wirklich nicht zu viel versprochen!

Es handelt sich allerdings um einen Triumph, für den er weniger seinen Schauspielern als vielmehr sich selbst herzhaft auf die Schulter klopfen kann. Im Gegensatz zu anderen Regisseuren, die während der Premiere gemütlich in der Kantine versacken, thront der in Frankreich lebende Mittsechziger unter einer Art Clownshut in der ersten Zuschauerreihe und gibt gleichsam von der Trainerbank aus den Chefornithologen.

Dabei pflegt Savary, der hierzulande vor Jahrzehnten mit seinem zirzensischen Theaterzauber auffiel und in Berlin zuletzt in den Neunzigern am Ku’damm gastierte, eine ähnliche Berufsauffassung wie der Nationalmannschafts- und Bayern-Ex Jürgen Klinsmann: Sofern man die Spieler nicht vom Spielfeldrand aus anschreit, antreibt und korrigiert, wird gar nix auf’m Platz!

Zunächst betritt eine fliegende Händlerin (Franziska Hayner) die Bühne, hält phallische Teigwaren in die Höhe und ruft, so fröhlich sie kann: „Brotpenisse, Brotpenisse!“ Der Regisseur steigt sofort zuverlässig ein, zischt „lauter, lauter“ und scheint sich ansonsten erst mal prächtig zu amüsieren.

Wir indes kapieren: Savary sucht in Aristophanes’ Komödie „Die Vögel“, in der zwei Athener (Axel Wandtke und Christoph Letkowski) den zum Wiedehopf mutierten Ex-König Tereus (Mattias Rheimheimer) zur Gründung eines mächtigen Vogelstaates anstiften, nach der kürzesten Verbindung zwischen den Vögeln und dem Vögeln.

Da es zweifellos unangenehmere Abendbeschäftigungen gibt, ist dagegen erst mal nichts einzuwenden. Wie aus „Germany’s next Topmodel“ entstiegene „Mädchen“ geben einen Teil der Vogel-Crew in Stringtangas oder Glitzerbikinihosen zu Oberteilchen, deren Zierfransen auch bei den unfreiwilligen Knicksen im Bühnensand putzig hin und her schwingen. Visuell gibt es da absolut nichts auszusetzen: Die Volksbühne hat endlich formvollendetes Friedrichstadtpalast-Niveau erreicht!

Lediglich das Handwerk ist noch optimierbar. Das sieht auch der Trainer so: An einem szenischen Höhepunkt reiben zwei Vogelfrauen in sambaähnlicher Choreografie ihre Stringtanga-Hintern aneinander und finden die anschließende Regie-Idee, lasziv in den Sand zu sinken und sich dort gegenseitig an ihren Brustpailletten herumzufingern, offenbar weniger tragfähig als der Chefornithologe. Den hält es vor Ärger kaum auf der Bank. „Come on, baby, move her, move her“, feuert er die untere Schönheit hochroten Kopfes an und klatscht dabei in die Hände wie ein Wettgast beim Pferderennen: eine energetische Performance, die ihresgleichen sucht!

Nur wenige Minuten später, beim leitmotivischen Vogeltanz, ist ebenfalls noch gewaltig Spielraum nach oben – findet Savary und brüllt erneut: „Come on!“ Dabei hatte er sich das so schön ausgedacht: Die Bikinigirls und ihre männlichen Kollegen in fleischfarbenen Ganzkörperanzügen mit Federn an Knie und Kopf singen im Chor „Quak, quak“ und deuten dazu choreografische Elemente aus dem „Ententanz“ an. Der Trainer ist aber auch wirklich streng! Fürs gemeine Zuschauerauge schaut das eigentlich ganz top aus: stilecht nach Betriebsfeier in Wanne-Eickel anno 1981!

Gegen diese trashige Regiemacho-Darbietung kann Dieter Bohlen einpacken! Für Savary liegt keine Peinlichkeitslatte zu niedrig, um nicht unterboten werden zu können. Schauspielerinnen hopsen infantil durch die Arena und singen „I would like to be a bird“. Dazu werfen sie selbst gebastelte Papiervögel in den Himmel. Maskuline Schenkelklopfer à la „Ich mach’ dir gleich Zwillinge“ runden das Programm ab. In einer Mischung aus Faszination und Fassungslosigkeit sitzt man im Theater und fragt sich, wie es eigentlich möglich ist, die Regie so derart flächendeckend zu vergeigen. Noch drei Stufen unterirdischer, und das Ding wäre schon wieder ein echter Knaller!

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