zum Hauptinhalt

Bundesstiftung Baukultur: Vage Wünsche

Baukultur boomt in Europa. Doch ob sie überall den gleichen Stellenwert besitzt, ist fraglich.

In Frankreich ließ es sich Staatspräsident Nicolas Sarkozy letzte Woche nicht nehmen, die „Cité de l’Architecture & du Patrimoine“ in Paris feierlich einzuweihen. Nur vier Tage später hat Deutschland eine Bundesstiftung Baukultur mit Sitz in Potsdam bekommen. Baukultur boomt in Europa. Doch ob sie überall den gleichen Stellenwert besitzt, ist fraglich: Beim Gründungskonvent im Potsdamer Hans- Otto-Theater suchte man vergeblich nach den höchsten Repräsentanten der Bundesrepublik. Weder Bundeskanzlerin Angela Merkel noch Bundespräsident Horst Köhler gaben sich die Ehre. Allerdings wurde in Potsdam ja auch nicht wie in Paris das größte Architekturzentrum der Welt auf den Weg gebracht, sondern lediglich eine Stiftung, um deren Gründung sieben Jahre lang zäh gerungen worden war.

Ausgestattet mit einem Stiftungskapital von 250 000 Euro und einer jährlichen Bundesfinanzierung von 1,5 Millionen Euro soll sie die nationale Baukultur fördern. Nur dürfte diese Summe für eine nachhaltige baukulturelle Aufklärungsarbeit kaum ausreichen. Zum Vergleich: In Chicago stehen der „Chicago Architecture Foundation“ (CAF) bei ihrer baukulturellen Basisarbeit rund 8,7 Millionen Dollar jährlich zu Verfügung. Allerdings stammen diese allein aus privaten Quellen. Anschaulich schilderte die Präsidentin der CAF, Lynn Osmond, die pragmatische Chicagoer Art der Architekturvermittlung, die mit Führungen, Vorträgen, Ausstellungen und Preisverleihungen die öffentliche Wahrnehmung für alle Facetten der gebauten Umwelt schärft.

Demgegenüber waren sich die rund 300 Teilnehmer des Gründungskonvents keineswegs einig, was die junge Stiftung Baukultur leisten soll. Anstelle klar formulierter Ziele entzündeten sie ein Feuerwerk baukultureller Beliebigkeiten, von der ästhetischen Grundbildung für alle bis zur universitären Exzellenzförderung, von der sozialen Stadt bis zur Forderung nach verbesserten Planungsverfahren. Baukultur sei ein „vager Begriff“ räumte auch Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) beim Festakt ein. Zugleich unterstrich er, dass die Bundesstiftung künftig unabhängig arbeiten solle.

Wie unabhängig sie vom parteipolitischen Gezänk wirklich ist, zeigt sich, wenn im Oktober ihr Geschäftsführer berufen wird. Dann ist es auch höchste Zeit, konkrete Ziele und Projekte zu formulieren. Vielleicht gelingt es der Stiftung, Baukultur in Deutschland so wichtig werden zu lassen, dass beim nächsten Baukulturkonvent 2009 auch die Bundeskanzlerin vorbeischaut.

Jürgen Tietz

Zur Startseite