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Kultur: Bundeswehr: Zurück ins Glied

Wie sagt es der Kanzler nur dem Präsidenten? Wenn Gerhard Schröder am heutigen Donnerstag im Weißen Haus in Washington dem Führer der weltweiten Anti-Terror-Koalition gegenüber sitzt, muss er auf eine unbequeme Frage gefasst sein: Warum, so wird George W.

Von Hans Monath

Wie sagt es der Kanzler nur dem Präsidenten? Wenn Gerhard Schröder am heutigen Donnerstag im Weißen Haus in Washington dem Führer der weltweiten Anti-Terror-Koalition gegenüber sitzt, muss er auf eine unbequeme Frage gefasst sein: Warum, so wird George W. Bush voraussichtlich wissen wollen, übernehmt ihr Deutschen nach den Briten in wenigen Wochen nicht die Führung der internationalen Schutztruppe für das befreite Afghanistan?

Zum Thema Online Spezial: Die Bundeswehr im Einsatz Fotostrecke: Deutsche Soldaten für Afghanistan US-Botschafter Dan Coats ließ im Tagesspiegel durchblicken, dass Amerika sehr daran interessiert sei, dass Deutschland im Kampf gegen den Terror nicht nur eine größere Rolle spiele, sondern auch mehr "Ressourcen" zur Verfügung stelle. Coats: "Es wäre für Deutschland ein Fehler, der Führungsrolle in Kabul zuzustimmen, wenn diese nicht genügend durch Material und Geld unterstützt werden kann." Im Umkehrschluss heißt das: Wenn ihr wollt, dann müsst ihr die Voraussetzungen schaffen.

Bereit für Risiken

Der US-Präsident hätte sowieso allen Grund, an die Leistungsbereitschaft seines Besuchers aus Berlin hohe Erwartungen zu stellen. Schließlich hatte der beim bislang letzten Zusammentreffen in Washington Mitte Oktober versichert, Deutschland werde "seiner Verantwortung auf allen Gebieten nachkommen". Nun geht es darum, ob dieses Schröder-Versprechen auch gilt, wenn es um die Führung der Isaf-Schutztruppe in Kabul geht, die Washington selbst als Hauptstreitmacht im Kampf gegen die Taliban nicht übernehmen will. Die Briten aber haben angekündigt, sich nach drei Monaten aus der Funktion zurückzuziehen.

Coats wird in einem Punkt sehr deutlich: Washington betrachte das bisherige deutsche Engagement zwar als "sehr positiv", seine "grundlegende" Kritik am deutschen Verteidigungshaushalt habe sich aber nicht geändert. "Einige sehr grundlegende Entscheidungen müssen gefällt werden", sagte Coats. Es gehe nicht mehr darum, was man tun wolle, sondern darum, was man tun könne.

Das genau trifft den Punkt. Denn starke Worte hatte der Kanzler nach seiner Rückkehr aus Washington und New York im Bundestag für Deutschlands "neue Verantwortung" in der Welt gefunden: "Unwiederbringlich vorbei", erklärte Schröder damals, sei jene Etappe deutscher Nachkriegspolitik, in der die Verbündeten bei internationalen Militäreinsätzen nur "sekundäre Hilfsleistungen" von seinem Land erwarteten. Das müsse nun bereit sein, Risiken zu tragen, und stehe künftig "in vorderster Reihe bei der konsequenten Sicherung des Friedens in der Welt". Doch von solchem Geist des Aufbruchs oder der Bereitschaft zur Übernahme von Risiken ist bei der Entscheidung über die "lead nation" nur wenig zu spüren. Was in den vergangenen Tagen in Berlin für einige Verwirrung sorgte.

Politisch spricht viel dafür, dass Berlin den Auftrag übernimmt: Neben den amerikanischen Partnern würden auch die UN und Kabul die Deutschen gern in dieser Rolle sehen, denn keine andere Nation steht in dem Nachkriegsland in so hohem Ansehen und gilt deshalb als unverdächtig, mit seiner Präsenz in Mittelasien hegemoniale Interessen zu verfolgen. Bislang engagiert sich die EU in Afghanistan stark für den Wiederaufbau. Berlin aber könnte als "lead nation" in Zusammenarbeit mit anderen EU-Ländern jene gemeinsame europäische Verteidigungspolitik ein Stück voranbringen, deren Fehlen nach dem 11. September so schmerzlich registriert wurde.

Aber nicht nur Berlin hat beispielsweise Vorbehalte gegen die Türkei, die sich zur Ablösung der Briten selbst anbietet: Den Türken trauen manche deutschen Militärs die Führungsfunktion nicht zu. Die türkische Rolle hätte auch Nebenwirkungen, die in Berlin mit Argwohn gesehen werden: Die Regierung könnte schlecht deutsche Soldaten türkischer Führung anvertrauen, gleichzeitig aber deutsche Panzer verweigern. Die neue Funktion würde Ankara auch so aufwerten, dass der EU-Beitritt dem Land kaum noch verweigert werden könnte - ein Beitritt des Nato-Partners, den die USA übrigens sehr gerne sähen. Gestern hieß es aus Kreisen der Regierungskoalition in Ankara dazu, dass die Türkei trotz finanzieller Probleme die Führung übernehmen will.

Auch dem Kanzler scheint die Aussicht auf politischen Gewinn lange gereizt zu haben - anders ist schwer zu erklären, warum sein Sprecher ganz neue Akzente setzte und Bedingungen für die Übernahme der neuen Funktion nannte: eine Entlastung der Bundeswehr in Mazedonien, wo die Deutschen zum ersten Mal eine internationale Militärmission führen. Doch wenige Stunden später, nach einem Treffen des Kanzlers mit Verteidigungsminister Rudolf Scharping, Finanzminister Hans Eichel und Außenminister Joschka Fischer war die Sache entschieden: Wir können es nicht, obwohl manches dafür spricht, hieß die neue Botschaft.

Ein teures Unterfangen

Die Aufstockung in Kabul, so erfuhr die Runde am Montagabend von Scharping, sei nur unter der Voraussetzung zu leisten, dass Teile der Bundeswehrreform (Zieltermin bislang: 2006) vorgezogen würden - ein risikoreiches und vor allem teures Unterfangen, zu dem angesichts einer schlimmen Haushaltslage weder der Finanzminister noch der Kanzler im Wahljahr bereit sind.

Im Oktober war ein verwandelter Kanzler aus den USA nach Berlin zurückgekehrt - vor allem der Besuch an "Ground Zero" hatte Schröder beeindruckt und bewirkt, dass er nachher deutlicher aussprach, was er im Grunde schon vor seinem Abflug gewollt hatte. Zumindest eine rhetorische Tür für eine Wende hat der Regierungssprecher seinem Chef auch diesmal offen gelassen. Obwohl die Ministerrunde keine Möglichkeit sah, die Aufgabe doch noch zu erfüllen, wurde offiziell nachher lediglich verkündet, Deutschland strebe keine Führungsrolle an.

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