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Kultur: Bundeswehreinsatz: Was Berlin anbietet und Washington fordert: Versprochen ist versprochen

Die Entscheidung fiel am Dienstag. Deutsche Soldaten sollen für den Kampf gegen den Terror bereitgestellt werden.

Die Entscheidung fiel am Dienstag. Deutsche Soldaten sollen für den Kampf gegen den Terror bereitgestellt werden. Am Mittwoch trieb eine andere Frage das politische Berlin um. Wer eigentlich will den deutschen Einsatz?

Zum Thema USA: Rumsfeld dementiert konkrete Anforderung Reaktionen: Die im Bundestag vertretenen Parteien zur geplanten Bereitstellung von Bundeswehrsoldaten Hintergrund: Die deutsche Angebotsliste nach Anfrage der USA Stichwort: Spürpanzer "Fuchs" Stichwort: Kommando Spezialkräfte (KSK) Online Spezial: Terror und die Folgen Fotostrecke: Der Krieg in Afghanistan Für Aufregung hatte kein geringerer als US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gesorgt. Am Dienstagabend wurde der Pentagon-Chef gefragt, weshalb er 3900 deutsche Soldaten angefordert habe. "So haben wir nicht gefragt", antwortete Rumsfeld. "Wir haben um breite Unterstützung gebeten; wir haben darum ersucht, dass man uns angibt, was man aus deutscher Sicht für passend und vertretbar hält. Das ist etwas anderes, als wenn wir bestimmte Dinge anfordern, was wir lieber nicht machen." Auch auf Nachfragen und auf die Erkundigung, wann und wo deutsche Truppen denn nun eingesetzt würden, sagte Rumsfeld: "Es liegt an Deutschland, festzulegen, was sie tun werden. Das ist deren Entscheidung."

Schröder hatte am Dienstag gesagt, über die US-Botschaft sei am Montag dem Kanzleramt und dem Verteidigungsministerium mitgeteilt worden, wie sich Amerika die deutsche Kriegsbeteiligung vorstelle. "Die USA haben jetzt fünf Anforderungen an Deutschland gerichtet", sagte der Kanzler. Das klingt nach eben jenen spezifischen Vorstellungen, die Rumsfeld ausschließt. Später sagte Schröder: "Die Bundesregierung hat die Absicht, den Bitten der USA zu entsprechen." Und dann konkretisierte er den Begriff "Bitte": Es werde "positiv reagiert auf Bitten um ganz bestimmten Beistand".

Ob "Anforderungen" oder "Bitten": Schröder ließ keinen Zweifel daran, dass die Initiative von US-Seite ausging und Deutschland dem nur nachkomme. Die Obergrenze von 3900 Mann war eine Zahl, die Schröder nicht im direkten Zusammenhang mit den US-Forderungen nannte, man konnte sie aber nur als Addition der Wünsche Washingtons verstehen. In diese Richtung zielte auch Schröders Beteuerung, alle US-Wünsche würden erfüllt: "Wir sind um das gebeten worden, was ich hier gesagt habe, nicht um mehr." Die selbstgestellte Frage, ob Berlin "irgendjemandem etwas aufgedrängt" habe, beantwortete der Kanzler mit einem klaren "Nein".

In Washington nachgefragt

Wieviel Angebot und wieviel Nachfrage tatsächlich im Spiel war, wurde Verteidigungsminister Scharping am Mittwoch gefragt. Als er sich zierte, sprang Regierungssprecher Heye zur Hilfe: Natürlich habe man in Washington nachgefragt, "wie das denn wohl zu verstehen sei". Da war Rumsfeld auf deutschen Druck bereits zurückgerudert, hatte aber darauf beharrt, keine 3900 Soldaten verlangt zu haben. Wobei der US-Minister die Lage noch komplizierter machte, indem er behauptete, man habe "keine 3900 Spezialkräfte" gefordert, "wie ich gefragt wurde". Die Frage indes hatte sich auf "Truppen", nicht "Spezialkräfte" bezogen.

Die politische Gesamtkonstellation ist eindeutig. Alle Hauptverbündeten der USA hatten bereits ihre Kontingente benannt. Die Bundesrepublik war der Nachzügler - nicht nur nach Frankreich, Großbritannien, Kanada und Australien, sondern auch nach der Türkei und Italien. Dies hatte den Druck auf die Bundesregierung erhöht, sich nicht nur festzulegen, sondern nun ein signifikantes Angebot zu machen.

Zaudern hätte seinen Preis gehabt

Dennoch hatte es in der SPD Stimmen gegeben, die Schröder zu weiterem Zuwarten geraten hatten. Doch Zaudern hätte seinen Preis gehabt. "Für jeden Tag, den er länger wartet, muss er mehr Soldaten schicken", beschrieb ein führender Sicherheitspolitiker der Union das Dilemma Schröders. Angebot oder Nachfrage - man kann wohl eher von einer Einigung sprechen, die in wochenlangen Gesprächen deutscher und amerikanischer Militärplaner beim zuständigen US-General Tommy Franks in Tampa in Florida zustande kam.

Klar ist, dass Schröder den Eindruck zu erwecken versuchte, Deutschland habe wenig Entscheidungsspielraum. In der Kontinuität der UN- und Nato-Entscheidung sowie der Festlegung des deutschen Bundestages und angesichts der konkreten Anforderung aus Washington habe es sich bei der historischen Entscheidung zur Bereitstellung von 3900 Soldaten um den Vollzug einer längst erfolgten Festlegung gehandelt.

Diese Argumentation des Kanzlers erhöht die Verkaufbarkeit seiner Entscheidung: Sachzwänge allerorten. Wer wollte dagegen im rot-grünen Lager opponieren? Auf diesen Zusammenhang wies CSU-Landesgruppenchef Michael Glos hin. "Es gibt gewaltige Diskrepanzen zwischen dem, was Schröder zu den Partei- und Fraktionsvorsitzenden sowie der Presse gesagt hat, und dem, was Rumsfeld geäußert hat", sagte Glos. "Bevor der Bundestag über die Bereitstellung und den möglichen Einsatz der Bundeswehr am Donnerstag debattiert, müssen die Grundlagen klar sein." Der Kanzler könne zwar vielleicht mit seiner Darstellung die Kritiker in der Koalition leichter ruhig stellen. Gegenüber den Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Union müsse er sich aber anders verhalten.

Hat Rumsfeld Recht, war also die deutsche Angebots-Komponente wesentlich stärker als von Schröder dargestellt, so bedeutet dies vor allem: Der Kanzler hatte gewaltigen Spielraum, somit gehorcht die Bereitstellung der fünf Bundeswehreinheiten stärker außen- wie innenpolitischen Opportunitätskriterien denn militärischen Einsatzmöglichkeiten. Wenn Rumsfeld der Wahrheit näher kommt als der Kanzler, hätte sich dieser schlicht hinter den USA versteckt.

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