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Szene aus der Produktion „Clameur des arènes“

© Marc Coudrais

Burkina Faso im HAU: Zum Angriff!

Das Festival „Schlaflose Nächte: Burkina Faso zwischen Kultur und Revolution“ im Hebbel am Ufer gibt einen Einblick in die lebendige burkinische Kulturszene.

Von Sandra Luzina

Erst einmal wird gewickelt: Die acht schwarzen Männer in weißen Boxershorts stellen ihre muskulösen Körper zur Schau und schlingen sich dann ein rotes Tuch um die Hüften, verknoten es zu einem Lendenschurz, der an japanische Sumo-Ringer erinnert. Die Kämpfer nehmen sich viel Zeit für dieses Zeremoniell: Bevor sie sich an die Wäsche gehen, muss alles sitzen.

Mit „Clameur des arènes“ (Geschrei der Arenen) eröffnet der Choreograf Salia Sanou das Festival „Schlaflose Nächte: Burkina Faso zwischen Kultur und Revolution“ im Hebbel am Ufer. Sanou ist einer der Pioniere des zeitgenössischen Tanzes in Afrika. Hier lässt er nun drei Tänzer seiner Compagnie auf fünf Ringer aus dem Senegal treffen. Für Salia Sanou ist der Kampf zugleich Sport und Ritual. Sein Zugriff ist stark ästhetisierend: Er will dem Kampf eine symbolisches Dimension verleihen, was manchmal etwas bemüht wirkt.

Seine Kämpfer agieren vor einer Wand aus blutroten Säcken, die sie schon mal verschluckt. Später ordnen sie weiße Kissen zu einen Kreis, in dem sich dann die Gegner gegenüberstehen. Zu sehen ist eine schweißtreibende Kampfsport-Choreografie, bei der man kaum unterscheiden kann, wer Ringer und wer Tänzer ist. Die Männer lassen ihre Muskeln spielen, ballen die Fäuste, teilen Schläge aus und gehen in Deckung. Manchmal wirken die Kraftpakete geradezu verletzlich – so als hätte das Leben ihnen schon manchen Schlag verpasst. Kraft paart sich hier mit Sensibilität. Dann verschmelzen die Körper in weichen Bewegungen. Die Kämpfer lassen aber auch schon mal die Hüften kreisen wie eine Boygroup. Dabei werden sie von vier Funk-Musikern angefeuert.

Eine Performance, die vor Virilität nur so strotzt

Die Choreografie zeigt ausgiebig Männerrituale zwischen Kameraderie und Rivalität. Am Anfang ein rotes Tuch, zum Schluss ein weißes – das soll wohl ein Sinnbild sein für die Hoffnung auf eine friedlichere Zukunft. Doch von politischer Gewalt handelt das Stück nicht, auch wenn eine Szene einen mythischen Bruderkampf veranschaulicht. „Clameur des arènes“ ist eine Performance, die vor Virilität nur so strotzt – was man im HAU, diesem Hort der Queerness, doch recht selten sieht.

Politisch aufgeladen ist „Nuit blanche à Ouagadougou“ (Schlaflose Nacht in Ouagadougou) von Serge Aimé Coulibaly. Das Tanzstück hatte 2014 Premiere, zwei Tage bevor in Burkina Faso der Volksaufstand begann, der zum Sturz des Präsidenten Blaise Compaoré führte. Der Furor ist den Körpern der vier Tänzer – drei schwarze Männer und eine weiße Frau – eingeschrieben. Die Spannung entlädt sich in eruptiven Bewegungen. Jeder scheint hier in ein hitziges Selbstgespräch vertieft zu sein, ohne sich öffentlich artikulieren zu können.

Der Rapper Smockey, ein prominentes Mitglied der Demokratiebewegung „Le Balai Citoyen“, führt durch die schlaflose Nacht. „Auf zum Angriff, auf zur Aktion“, singt der düstere Poet – prophetische Zeilen. Leider ist die deutsche Übertitelung im HAU 1 kaum zu lesen. Doch die Wut, der Wunsch nach Veränderung teilen sich auch so mit. Coulibaly und seine Tänzer veranschaulichen den Aufruhr, die satirischen Szenen, in denen sie den Diktator Compaoré verspotten, wirken dagegen eher zahm. Die Mittel des Tanztheaters, politische Themen auf die Bühne zu bringen, sind begrenzt – das zeigt diese Performance. Ein mitreißender Abend ist „Nuit blanche à Ouagadougou“ vor allem dank Smockey.

Das Festival läuft noch bis zum 19. November im HAU 2 und HAU 3.

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