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Kultur: Bye, bye, West-Berlin

TAGESSPIEGEL: Das marode Berliner Schiller-Theater als international glänzende Festspielbühne, der renovierte Gropius-Bau als Grand Palais nach Pariser Vorbild.Alles unter Führung der bewährten Festspiele GmbH.

TAGESSPIEGEL: Das marode Berliner Schiller-Theater als international glänzende Festspielbühne, der renovierte Gropius-Bau als Grand Palais nach Pariser Vorbild.Alles unter Führung der bewährten Festspiele GmbH.Das klingt, Herr Radunski, ziemlich verwegen.

RADUNSKI: Fest steht: Wir müssen das Angebot der Berliner Kultur und somit auch der Berliner Festspiele den neuen Gegebenheiten, wie sie sich hier mit dem Regierungsumzug darstellen, anpassen.Das Festspiel-Programm, das sich lange Zeit auf höchst verdienstvolle Weise an den Bedürfnissen einer eingeschlossenen Stadt orientiert hat, muß internationaler werden, es muß auf eine breitere Basis gestellt werden.Das sehen die Festspiele und ihr Intendant Ulrich Eckhardt im Übrigens genauso.

TAGESSPIEGEL: Bye, bye, West-Berlin?

RADUNSKI: Ein wenig ist es schon so.Mit dem Eintreffen der Bundesregierung wird sich das neue Berlin manifestieren, zehn Jahre nach dem Mauerfall.

TAGESSPIEGEL: Was bedeutet dies konkret für die Festspiele?

RADUNSKI: Die Festspiele werden ein höheres Maß an Verantwortung sowie einen erweiterten und veränderten Aufgabenbereich erhalten.Beispielsweise wird es die Festwochen, wie sie bisher zum großen Ruhm der Stadt alljährlich im Herbst stattfanden, in dieser Form nicht mehr geben.Stattdessen werden über das gesamte Jahr Veranstaltungen präsentiert, die dem zunehmend internationalen Charakter der Hauptstadt gerecht werden.

TAGESSPIEGEL: Ist 1999 also schon das letzte Festwochenjahr?

RADUNSKI: Die Festwochen in ihrer bisherigen Form werden im Jahr 2000 das letzte Mal stattfinden.Doch schon 2000, mit dem Veranstaltungsprogramm für die Jahrtausendwende, tragen die Festspiele der neuen Entwicklung Rechnung.Das Millennium-Programm ist nicht auf einen Zeitraum konzentriert, sondern bietet das ganze Jahr Hochkarätiges an.

TAGESSPIEGEL: Welche Rolle spielt die Bundesregierung bei diesen Planungen?

RADUNSKI: Wir sind mit der Bundesregierung in Verhandlungen: mit dem Ziel, daß der Bund die Festspiele GmbH zu größten Teilen übernimmt.Berlin, das bisher weit mehr als die Hälfte der Mittel zuschießt, würde dann nur noch einen kleinen Teil, etwa zehn bis zwanzig Prozent, beisteuern.

TAGESSPIEGEL: Welche Aufgaben hätte eine solche Bundes-Kultur-GmbH?

RADUNSKI: Es bleibt, das vorweg, bei der Festspiele GmbH.In ihrer neuen Struktur würde sie zunächst für die Organisation von Gastspielen und anderen internationalen Kulturveranstaltungen zuständig sein.Weiterhin bleiben in ihrem Bereich natürlich das Filmfest und die anderen Festivals, wie das Theatertreffen, das Jazz-Fest oder die Musik-Biennale.Aber auch diese Veranstaltungen werden dann stärker von internationalen, möglichst auch interkontinentalen Aspekten geprägt sein.Dies liegt sicherlich auch im Interesse der Bundesregierung.Deshalb wollen wir diesen Bereich in die Verantwortung des Bundes legen.

TAGESSPIEGEL: Was sagt der Bund dazu?

RADUNSKI: Es zeichnet sich eine Einigung dahingehend ab, daß der Bund neben der Festspiele GmbH die Gedenkstätten, die Topografie des Terrors und verwandte Einrichtungen komplett übernehmen könnte - und damit einen präzise definierten Beitrag zur Hauptstadtkulturfinanzierung leisten würde.

TAGESSPIEGEL: Und was wird aus Ihrer als "Leuchtturm-Konzept" bekanntgewordenen Idee, dem Bund einige bewährte Häuser wie die Staatsoper oder das Deutsche Theater ganz zu übertragen?

RADUNSKI: Die geschilderten Überlegungen stellen eine sinnvolle Alternative dazu dar.

TAGESSPIEGEL: Michael Naumann, so sehen wir voraus, sonnt sich im Glanz internationaler Gastspiele und Festival-Auftritte, während der Berliner Kultursenator die Misere der Kiez-Kultur verwaltet.

RADUNSKI: Ich hatte noch nie Sorge, daß der Bund sich zu sehr einmischt in Berlin.Das Angebot in der Stadt ist so reichhaltig und vielfältig glänzend.Da werden wir uns gewiß nicht ins Gehege kommen.

TAGESSPIEGEL: Zurück zum Schiller-Theater.Auch wenn man das Haus für mehrere Monate als Ausweichspielstätte für sanierungsbedürftige Häuser nutzt, das jährliche Theatertreffen dort veranstaltet und - wie von Ihnen vorgeschlagen - die jeweiligen Bundesratspräsidenten Kulturgut aus ihrer jeweiligen Provinz zur Aufführung bringen.Inklusive dreier hochkarätiger, sagen wir: vierwöchiger Gastspiele wird das Haus, über den Daumen gepeilt, ein halbes Jahr leerstehen.

RADUNSKI: In der Tat.Das Konzept sieht vor, das Schiller-Theater am Anfang etwa ein halbes Jahr lang zu bespielen.Am wichtigsten ist, daß es dort wieder lebendig wird.Damit werden wir vermutlich schon in diesem Jahr beginnen, wenn Umbauarbeiten die ersten Berliner Bühnen, wie das Gorki-Theater und das Berliner Ensemble, zum Umzug zwingen.Nachdem uns die Praxis als Lehre des Lebens gezeigt hat, daß private Investoren dort keinen Erfolg haben können, scheint mir das eine höchst attraktive Aussicht.

TAGESSPIEGEL: Kommen wir zum Martin-Gropius-Bau, der als Ort vielbeachteter Ausstellungen auch bisher seinen herausgehobenen Platz in der Museumslandschaft Berlins hatte.Was unterscheidet das neue Konzept, abgesehen von der Trägerschaft des Bundes, von der bisherigen Praxis?

RADUNSKI: Ziel ist auch hier, durch die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen wie der Bundeskunsthalle in Bonn, aber auch internationalen Kooperationspartnern und Kuratoren den Horizont zu weiten.Was für die Bildende Kunst zutrifft, gilt auch für die meisten anderen Bereiche: Mit unseren Partnern in West-Europa und den USA, in den letzten Jahren - dank der Festspiele - auch mit Ost-Europa, haben wir gute Kontakte.Woran es hapert, ist der Blick auf andere Kontinente.Mir schwebt vor, daß beispielsweise aus Anlaß von Staatsbesuchen Kulturprogramme und Ausstellungen aus den jeweiligen Ländern gezeigt werden.

TAGESSPIEGEL: Ist dies alles mit den bisherigen Strukturen der Festspiele GmbH zu bewältigen?

RADUNSKI: Sicherlich wird, wie in den meisten Kulturinstitutionen der Stadt, auch bei den Festspielen eine neue Generation an Kulturmanagern miteinbezogen werden müssen.Das jedoch, was bisher von den Festspielen geleistet wurde, dient als außerordentlich tragfähige Grundlage für die Zukunft.Wir können auf die Erfahrung und das Know-How des Intendanten Ulrich Eckhardt und seines Teams im Augenblick nicht verzichten.

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