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Kultur: California Dreaming

Der Wuchtigste zuerst: Paul Thomas Anderson über „There Will Be Blood“

Mr. Anderson, was für ein Gefühl ist es, nach über fünf Jahren Arbeit den fertigen Film auf einem Festival zu zeigen?

Es fällt mir schwer, loszulassen. Ich weiß jetzt gar nicht, was ich mit mir anfangen soll! An diese Melancholie werde ich mich nie gewöhnen.

War die Recherche für diesen historisch sehr genauen Film nicht nervtötend?

Im Gegenteil. Monatelang habe ich mir alles angeschaut, was ich finden konnte. Bilder, Tagebücher, Artikel – ich verlor mich in den Papieren auf meinem Schreibtisch. Ich musste mich zwingen, endlich mit dem Schreiben anzufangen.

Gedreht haben Sie diesmal in Texas. Kalifornien sind Sie dennoch treu geblieben.

Kalifornien ist meine Heimat, ich will alles darüber wissen. Früher war das anders: Ich sah die Filme von Scorsese und wünschte mir, in New York zu leben – da gibt es wenigstens was zu erzählen. Dann habe ich John Steinbecks Romane gelesen und mir wurde klar, wie bizarr und zugleich wunderschön dieser Staat ist.

Die Konfrontation des Öl-Tycoons Plainview mit dem Prediger Eli wirkt wie eine Allegorie auf die Entstehung des modernen Westens.

Es sieht so aus. Als Filmemacher glaube ich allerdings, dass man niemandem zeigen muss, in welchem Zustand die Welt heute ist. Deshalb habe ich mich an den Anfang der Entwicklung begeben. Es ist wie mit der Titanic. Alle wissen, dass sie sinken wird, aber es ist faszinierend zu sehen, wie es so weit kommen konnte.

Dennoch scheint es, als hätten Sie das Allegorische eher zu zügeln versucht.

Und wie! Man kommt schnell in Schwierigkeiten, wenn man große Themen anzupacken versucht. Als wir den Bohrturm gebaut hatten und dann die Kirche gegenüber, dachte ich: Das wird hier alles zu aufgeblasen... Ich musste mich fortwährend um Zurückhaltung bemühen. Dass Plainviews Sohn am Ende religiös wird, finde ich nach wie vor eine reizvolle Idee. Im Film habe ich das aber nur angedeutet, denn es hätte die Konfrontation von Öl und Kirche zu sehr auf die Spitze getrieben. Der Film ist eher ein Portrait des Öl-Mannes Plainview.

Über das Finale Ihres Films wird heftig diskutiert. Es wirkt, als explodiere er am Ende.

So soll es auch sein. Ich wusste, dass es einen letzten Showdown geben muss und dass er völlig aus dem Ruder läuft. Ich habe viele Versionen schreiben müssen, bis ich das richtige Ende gefunden hatte. Das Finale sollte in den Gängen der Plainview-Villa statt finden. Dann haben wir diese seltsame Kegelbahn im Keller gefunden und wussten sofort: Die ist es.

Kirche und Kapitalismus treffen sich in einer Kegelbahn und reden über Milchshakes!

Großartig, nicht wahr? Das Beste ist: Die Sache mit dem Milchshake habe ich gar nicht erfunden. In den Zwanzigern musste ein Mitarbeiter des Innenministeriums wegen Unregelmäßigkeiten in seiner Amtsführung vor den Kongress. Er hat vor dem ehrwürdigen Haus die Entleerung fremder Ölfelder genau so erklärt: Stell dir vor, du hast ein Milchshake und ich habe ein Milchshake mit einem sehr langen Strohhalm.

Die Fragen stellte Sebastian Handke.

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