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Kultur: CDU-Chefin unter Druck: Auf Abstand

Angela Merkel wäre sicher gerne noch etwas länger in den USA geblieben. Dort konnte sie in der vergangenen Woche ein paar Tage den Glanz der Weltpolitik genießen.

Angela Merkel wäre sicher gerne noch etwas länger in den USA geblieben. Dort konnte sie in der vergangenen Woche ein paar Tage den Glanz der Weltpolitik genießen. Wieder zu Hause, wartete der matte Alltag kleinkarierter Parteipolitik - Kanzlerkandidatur, Kiep-Million und der Vorwurf umweltpolitischer Wendehalsigkeit. Das Besondere: Angela Merkel muss sich in diesen Tagen vor allem gegen Kritik verteidigen, die aus der Union kommt. Die innerparteiliche Schonfrist für Angela Merkel - sollte es sie je gegeben haben - ist vorbei.

Ein Jahr ist es her, dass die Delegierten auf dem Essener CDU-Parteitag sie zu ihrer Trümmerfrau erkoren. Dass man mit Angela Merkel nicht nur ein unschuldiges Gesicht an die Parteispitze gewählt hat, scheint manchen in der Union erst jetzt aufzufallen. Merkel hat durchaus das Zeug zur Machtpolitikerin. Das zeigt ihre jüngste Ankündigung, sie wolle allein mit CSU-Chef Edmund Stoiber über die Frage der Kanzlerkandidatur für 2002 entscheiden. Das passt vielen nicht. So warnte der Bremer CDU-Chef Bernd Neumann am Wochenende, die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur dürfe von Merkel nicht privatisiert werden.

Auch in der CDU/CSU-Fraktion wettern einige über den Alleingang Merkels. Die Fraktion habe das Recht, weitere Kandidaten zu benennen, fordert Schleswig-Holsteins Landesgruppenchef Dietrich Austermann. Sicher scheint in der "K-Frage" indes zweierlei: Dass Stoiber nur kandidieren wird, wenn die Chancen auf einen Sieg über Gerhard Schröder groß sind. Und dass Angela Merkel nicht nur bereit wäre zur Kanzlerkandidatur, sondern die Aufgabe auch gerne übernehmen würde. Da ist es wichtig für Merkel, von Leuten wie Wolfgang Bosbach unterstützt zu werden. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende hat "überhaupt kein Verständnis für diese Kritik". Es sei "Ausdruck einer Selbstverständlichkeit", dass Merkel und Stoiber die Kanzlerkandidatur unter sich ausmachten. Die Partei solle froh sein, wenn ihre Vorsitzende Führungsqualitäten zeige. Diese Qualitäten lässt Merkel im Umgang mit der mysteriösen Überweisung des einstigen CDU-Schatzmeisters Walther Leisler Kiep jedoch vermissen.

Erst einen Monat, nachdem sie vom Eingang der Kiep-Million auf dem Konto der CDU erfahren hatte, informierte die Chefin ihren Vorstand. Der Vorgang sickerte nur durch Zufall in die Öffentlichkeit. Nach wie vor ist die Herkunft des Geldes unklar. Merkel hatte wohl gehofft, das schmuddelige Thema würde schnell wieder verschwinden. Dabei hat sie unterschätzt, dass die Öffentlichkeit bei merkwürdigen Finanzgeschichten in der CDU besonders neugierig ist. Jetzt wird sie der Fall wohl noch länger beschäftigen. Am Sonntag erklärte Kiep, die Anzeichen hätten sich verdichtet, dass die Million der CDU gehöre. Sie könne von dem 1992 aufgelösten Norfolk-Konto der Bundes-CDU oder aus einer bisher unbekannten Geldquelle stammen. Dann hätte die Spendenaffäre ihre Fortsetzung. Für die SPD ist schon jetzt klar, dass der Fall Kiep zu einem "Fall Merkel" werden wird.

Denn Merkels Erklärung dafür, warum sie nicht früher über die Überweisung informiert hat, bleibt dürftig. Auch hier folgte prompt die Kritik aus der eigenen Partei. Der rheinland-pfälzische CDU-Chef Christoph Böhr und sein Bremer Kollege Neumann schimpften auf Merkels Krisenmanagement. Man mag nicht an Zufall glauben, dass ausgerechnet die alten Kohlianer als erste gegen Merkel schießen. Doch selbst der saarländische Ministerpräsident Peter Müller, eigentlich ein Vertrauter Merkels, kritisierte am Sonntag, die Vorsitzende habe die Medienwirkung der Überweisung unterschätzt. "Ich würde mich freuen, wenn diese Herren in den Gremien mit mir reden würden - nicht über die Öffentlichkeit", entgegnete Merkel barsch. Bosbach empfiehlt denselben Leuten die Methode "Telefon statt Mikrofon". Aber auch er gesteht ein, dass durchaus der Eindruck entstehen konnte, Merkel habe in Sachen Kiep schlechtes Management betrieben.

Einen weiteren Vorwurf hat sich Merkel allein selbst zuzuschreiben. Auch ein Jahr nach ihrer Wahl zur Vorsitzenden ist nicht klar, in welche Richtung sie die Partei inhaltlich führen will. Dass sie dabei gelegentlich in starken Widerspruch zu den eigenen Positionen von früher gerät, wurde während der Amerika-Reise deutlich. Von ihren umweltpolitischen Prinzipien hatte sie sich offenbar abgewendet. Merkel selbst hatte als Umweltministerin vor vier Jahren engagiert für das Klima-Protokoll von Kyoto gekämpft. In Washington schien all das vergessen. Merkel brachte Verständnis auf für die Weigerung der Regierung Bush, das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren.

Bosbach glaubt auch hier an das Gute in der Merkel. Die Vorsitzende sei "sehr engangiert" bei der Sache, wenn es darum gehe, die CDU programmatisch auf den Wahlkampf im nächsten Jahr vorzubereiten. Zumindest bei der Frage der Einwanderung ist Merkel das schon mal gelungen. Sie hielt die CSU letztlich davon ab, das Grundrecht auf Asyl zu verändern. "Wir hatten große Angst, dass am Ende alle nur auf die Differenzen zwischen CDU und CSU starren, statt unser Konzept mit dem der Regierung zu vergleichen", sagt ein Mitglied der CDU-Zuwanderungskommission. Es gibt also noch andere Ängste, die Angela Merkel in den nächsten Monaten vertreiben muss.

Markus Feldenkirchen

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