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Kultur: CDU-Wahlwerbung: Öffentlicher Anschlag

Was darf die Satire, fragte Kurt Tucholsky. Was darf ein Plakat, zumal ein politisches?

Was darf die Satire, fragte Kurt Tucholsky. Was darf ein Plakat, zumal ein politisches? Es kann polemisieren, ironisieren, erregen, Fronten aufbauen, seinen Gegenstand verfremden - es soll ja Aufmerksamkeit erregen. Darf es also alles - wie Kurt Tucholsky seine rhetorische Frage beantwortete? Mit der Rücknahme des Plakates, das den Bundeskanzler als Fahndungsfoto abbildete, hat die CDU eingeräumt, dass auch politischen Plakaten Grenzen gesetzt sind. Was lehrt die Ikonographie der politischen Plakate, zu deutsch: die Lehre von den politischen Plakaten in der Bundesrepublik über diese Grenzen?

Plakate durften früher aggressiver sein. Früher, das sind die fünfziger Jahre. Der "Klassiker" dafür ist das CDU-Plakat "Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau" aus dem Wahlkampf 1953. Das Bild mit dem drohenden sowjetischen Soldaten-Kopf stand damals nicht allein. Die CDU hat in diesen Jahren mehrfach ähnlich massiv auf die Angst vor der Gefahr aus dem Osten gesetzt, auch die FDP - "Wo Ollenhauer pflügt, sät Moskau" -, doch auch die SPD hat in ihrer Kampagne gegen eine atomare Bewaffnung zum Beispiel mit einem Plakat geworben, auf dem ein verzerrter Adenauer-Kopf als atomare Abschussrampe dient.

Allerdings muss man diesen Plakaten konzedieren, dass die Zeiten härter waren. Die Angst vor dem Osten war echt, die vor einer atomaren Auseinandersetzung nicht minder. Aber auch ihr ganzer Charakter war anders: Sie erzählten mehr, gestikulierten heftig, gingen den Beschauer direkt an. Unübersehbar reichten die Giftigkeit der politischen Konflikte der dreißiger Jahre und der aggressive Ton der nationalsozialistischen Propaganda noch in diese Plakate hinein.

In den sechziger und siebziger Jahren geriet dieser Typus aus der Mode. Die Parteien setzten auf große Personenporträts. War der Grund die große Koalition? Die Entspannungspolitik? Oder die Veränderung der Wahrnehmung durch das Fernsehen? Die SPD warb mit Willy Brandt, die CDU mit Kiesinger, dann mit Barzel, alle markant stilisiert, die Wahlslogans von gleicher, quasi überparteilicher Wohl-Gerundetheit: "Deutsche, Ihr könnt stolz sein auf Euer Land!" (SPD), "Auf den Kanzler kommt es an" (CDU). Nicht anders erschien 1976 Kohl auf den Plakatwänden: strahlend, auf jugendlich getrimmt, mit neuer Frisur und Brille. Damals betrat auch ein neuer, lockerer Plakattyp die Szene, unverkennbar aus der kommerziellen Werbung kommend - Prototyp das CDU-Pinup-Girl mit den Boxhandschuhen, das den Betrachter aufforderte: "Komm aus Deiner linken Ecke". Die aggressive Polarisierung "Freiheit statt Sozialismus", die die CSU in den Wahlkampf getragen hatte, blieb Schriftzug.

Gegenüber dem Mainstream dieser Persönlichkeitsplakate, die die Wahlkämpfe seither und bis heute beherrschen, haben Witz und bissige Kritik vor allem in den Plakaten von Klaus Staeck ihre Heimstatt gefunden. Sie sind keine Wahlplakate im engeren Sinne, sondern auch Kunstwerke, auch wenn der Heidelberger Grafiker keinen Zweifel daran lässt, dass sie politische Plakate sind. Diese Zweigleisigkeit hat nicht alle Betrachter überzeugt, zumal nicht jene, die sich von Staeck attackiert fühlten. Im Wahlkampfjahr 1976 kam es deshalb zu einem damals viel beredeten Eklat, als der CDU-Abgeordnete Philipp Jenninger Plakate einer Staeck-Ausstellung, die SPD-Abgeordnete in der Parlamentarischen Gesellschaft in Bonn veranstaltet hatten, von den Wänden riss.

Gemessen an dem Fehlgriff, den die CDU mit dem Fahndungs-Bild Schröders getan hat, waren die Partei-Wahlkämpfer schon mal weiter. Am Rand der politischen Konkurrenz gönnten sie sich etwas Witz. Nicht zuletzt die CDU: 1994 hängte Generalsekretär Hintze seine roten Socken auf die Leine, und 1998 schickte die CDU einen Dickhäuter - "Keep Kohl. Schöne Urlaubsgrüße vom Wolfgangssee" - ins Wasser.

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