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Geheimnisträgerin. Charlotte Rampling.

© picture alliance / dpa

Charlotte Rampling zum 70. Geburtstag: Die Stürme aushalten

Die britische Filmschauspielerin ist erstmals für den Oscar nominiert. Und hat ihre Chancen fast verspielt - mit einer scharfen Minderheitenmeinung. Eine etwas andere Würdigung zum Siebzigsten.

Wann ist es erstmals Zeit, eine Lebensbilanz zu ziehen? Mit 40? Bloß nicht (obwohl, zumindest eine schicke Halbzeitbilanz wäre nicht verkehrt). Mit 50? Schon eher, aber da steht einem doch noch soo viel bevor. Mit 60? Schwierige Phase, bitte die nächste Frage. Mit 70? Man könnte es zumindest mal probieren.

An diesem Freitag, 5. Februar, wird Charlotte Rampling 70 Jahre alt, und von Bilanz kann keine Rede sein. Nix Rückschau vom Lehnsessel aus: Schließlich ist diese wunderbare britische Schauspielerin, soeben wegen ihrer furiosen Hauptrolle in Andrew Haighs „45 Years“erstmals für einen Oscar nominiert, vor gerade mal zwei Wochen sehr weit vor die Tür gegangen und hat sich beherzt mitten in den Sturm gestellt.

Was sie im Interview für den Sender „Europe 1“ sagen wollte, war womöglich das, was ihr ebenso wunderbarer britischer Kollege Michael Caine, mit seinen 82 Jahren dem entspannten Lebensbilanzieren eine Idee näher, sinngemäß – und sehr beherzigenswert – so ausgedrückt hat: Immer nur die tolle individuelle Leistung sollte zu einer Oscar-Auszeichnung führen, nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Hautfarbe. Rampling dagegen fand den massiven Protest gegen die aktuelle Nichtnominierung schwarzer Schauspieler „rassistisch gegen Weiße“ und fügte sogar an, vielleicht waren die schwarzen Kollegen diesmal einfach nicht gut genug.

Ein Makel für immer?

Besonders geschickt war das nicht, erst recht nicht angesichts ihrer eigenen Nominierung. Wohl auch deshalb schob sie ein relativierendes Interview hinterher, gepaart mit dem Lob für die Oscar-Academy, künftig mehr für die innere „diversity“ zu tun. Ramplings eigene Oscar-Chancen gegen Cate Blanchett, Jennifer Lawrence, Saoirse Ronan und Brie Larson tendieren nun dennoch gegen null, da mag ihre Leistung noch so überragend sein. Ausgerechnet sie auszuzeichnen hieße, den Streit mit der kämpferischen schwarzen Minderheit Amerikas noch mehr zu befeuern.

Was aber bedeutet Ramplings Vorstoß für die Wahrnehmung ihrer beruflichen Leistung – in einer Zeit, in der die Zugehörigkeit zu ideologischen Lagern immer stärker den Blick auch auf persönliche künstlerische Leistungen steuert? Steht die Schauspielerin nun für immer als die weiße Rassistin da, als die sie in den sogenannten sozialen Medien angeprangert wird? Welche Rolle wird der karrieregefährdende Mut zur unpopulären Meinung in den künftigen Geburtstagsbilanzen spielen, die ihr noch reichlich zu wünschen sind?

Einsamkeit, ein Leitmotiv

Reden wir von ihrer grundsätzlichen Scheu vor Menschen, reden wir von der Einsamkeit, die ihre Biografie prägt, reden wir von ihrem Lebenstrauma, dem Geheimnis, das sie um den Selbstmord ihrer drei Jahre älteren Schwester bewahren musste, jahrzehntelang. Die entschiedene Flucht aus der Familie mit Anfang zwanzig war eine Folge davon. Ebenso die Skandalrollen (am bekanntesten: Liliana Cavanis „Der Nachtportier“ von 1974), die Krisen und Depressionen in den mittleren Jahren mit mäßigen schauspielerischen Herausforderungen. Bevor sie sich, unter der Regie François Ozons, gewissermaßen zu sich selbst erfand.

In „Unter dem Sand“ (2000), ihrer ersten ins Künstlerische gewendeten Trauerarbeit, spielte sie eine Frau, die mit dem unerklärlichen Verschwundensein ihres Mannes leben muss – und diese diskrete, forschende, tapfere, verschlossene Figur findet sich, variantenreich zwar, seither immer wieder in ihren Filmen und macht Ramplings unverwechselbare Größe aus. Bis hin zu jener Kate, die in „45 Years“ als reife Frau ihren Mann neu sehen lernen muss und verliert. Natürlich sollte sie dafür den Oscar kriegen. Und wenn nicht? Egal, egal.

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