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Kultur: Charme ist keine Frage des Geldes

Es sollte tanzen und schweben - doch es hockt, dumpf und unbeweglich, am Landwehrkanal, neben dem unbändig aufstrebenden debis-Hauptquartier.Handwerker hämmern und sägen im Neubau, ziehen Wände ein, legen Böden und praktizieren nachträglich eine komplette Restaurantküche ins Zwischengeschoß.

Es sollte tanzen und schweben - doch es hockt, dumpf und unbeweglich, am Landwehrkanal, neben dem unbändig aufstrebenden debis-Hauptquartier.Handwerker hämmern und sägen im Neubau, ziehen Wände ein, legen Böden und praktizieren nachträglich eine komplette Restaurantküche ins Zwischengeschoß.Dabei galt das Haus schon vor Jahresfrist als vollendet, noch vor dem der debis, als erstes am Potsdamer Platz.Indes, ein Nutzer konnte erst jüngst gefunden werden, ein Käufer gar für das 28 000-Quadratmeter-Bürogebirge, und der hat nun natürlich Änderungswünsche.Die Volksbank gab die schönen eigenen Pläne am Kaiserdamm auf (mit dem Krater im Stadtbild werden die Charlottenburger wohl noch Jahre leben müssen - es empfiehlt sich die zwischenzeitliche Renaturierung) und entschied sich für das debis-Sonderangebot am Landwehrkanal als "Zentrale der Berliner Volksbank".Die Gründe sind eher wirtschaftlicher Natur.

Die Architektur kann es jedenfalls nicht sein, was die Finanzexperten an den Landwehrkanal zog.Nein, so ckhaben wir uns die "europäische Stadt" nicht vorgestellt, als die uns die Investitionsvorhaben am Potsdamer Platz nach dem städtebaulichen Wettbewerb verkauft wurden.Mailand und Barcelona wurden als Vorbilder beschworen, Höhe und Dichte wurden damit legitimiert.Doch wer in Barcelona in den Straßen flaniert, dem geht das Herz auf; wer in der Schellingstraße im Hof der Volksbank den Blick nach oben wandern läßt, den fröstelt.Solch düstere Schluchten sind in Berlin seit Hobrechts Zeiten nicht mehr gebaut worden.Das Unglück begann bereits vor der Wende, als Walter Momper Daimler-Benz-Chef Edzard Reuter mit dem Versprechen einer extrem hohen Nutzung für das Gelände am Potsdamer Platz nach Berlin lockte.Es nahm seinen Lauf mit den städtebaulichen Wettbewerben, die dieser Nutzung Raum gewährten und schließlich den Objektentwürfen der Preisträger, die ihr Gestalt verliehen.Für den südlichen Zipfel gegen den Landwehrkanal entwickelten die Architekten vier parallele Büroriegel, jeweils zwei zu einer Gebäudeeinheit zusammengefaßt.Renzo Piano hatte das Glück, am Südende ein Spannung erzeugendes Hochhaus anhängen zu dürfen.Er schloß aber auch den Raum zwischen den Riegeln mit einem Glasdach und machte ihn zur Halle, zu einem Teil des Gebäudes.Arata Isozaki aus Tokio, dem als drittem Preisträger des Realisierungswettbewerbs die Bauteile C2 und C3 zugesprochen wurden, ebenjene Riegel östlich neben debis, hatte weniger Fortüne.Er und sein Berliner Partner Steffen Lehmann - der den Entwurf bearbeitete und das Projekt seit einem Jahr auch vertraglich allein verantwortet - hatten nicht weniger als 38 000 Quadratmeter normierte Bürofläche zu meistern.Lang, zu lang ziehen sich die Trakte in die Tiefe des Grundstücks, 150 Meter entlang der Linkstraße.Schmal, zu schmal ist der ebenso lange Restraum dazwischen, den sich Lehmann als öffentlichen "Stadtgarten" vorstellt.Wohl gab es Versuche, das monolithische Gebäude zu strukturieren, es mit Sockel und Attika zu versehen, beide als gläserne Welle onduliert, die nun durch ihre Spiegelungen Passanten und Autofahrer verwirrt.Oben schauen aus dem gläsernen Faltenrock Betonarme heraus, die die auskragenden Obergeschosse tragen - Pilotis wie bei Le Corbusier, nur eben nicht so elegant.Dreigeschossige, gläserne Brücken mit Büros verbinden die beiden Trakte miteinander - und verdunkeln den "Stadtgarten", eingeschossige Glasbrücken überspannen die Schellingstraße, die beide Riegel quer durchschneidet.Unter diese Brücken soll noch ein weiterer Verbindungsgang gehängt werden, was die Situation nicht verbessern wird.Vielleicht wäre etwas zu retten, würde sich die Volksbank entschließen, die Fassaden der Häuserschlucht weiß statt mausgrau zu verkleiden und wie debis den Hof zu überdachen.Zwei Sonderelemente hätten den Bau akzentuieren können, wenn man die Chance ergriffen hätte, sie entsprechend zu kultivieren: Der eiförmige Sitzungssaal oben an der Front zum Landwehrkanal bietet zwar dem Vorstand grandiose Aussicht, ist jedoch von außen zu wenig thematisiert.Die Schalterhalle der Bank an der Nordseite wirkt alles andere als einladend und ist zudem an der Eichhornstraße ungünstig gelegen, denn sie hätte sich an der Ecke gegenüber der Passage den Passanten mit großzügiger Geste öffnen müssen.Sie hätte Gelegenheit geboten, dem Gebäude aus der Fußgängerperspektive gesehen ein Gesicht zu geben und es an den erwarteten Publikumsverkehr in Richtung Potsdamer Platz anzubinden.Wenn der Bau trotz allem in Erinnerung bleibt, dann auf Grund der merkwürdigen Fassade mit ihrem kunstgewerblich wirkenden, beige-rosa-braunen Keramikstreifenmuster und den nach unten schmaler werdenden Fenstern.So etwas hat man in Berlin noch nicht gesehen; allenfalls erinnert es an den mit Platten verkleideten Osthafen-Speicher an der Stralauer Allee.Normbüros von der Stange an langen, öden Fluren künden im Inneren davon, daß es sich um eine Baumaßnahme zum Geldverdienen handelt, ein Investorenprojekt ohne architektonischen Anspruch zum Wohle der beim Bau noch unbekannten Nutzer.Die Räume, Wände, Decken, Türen, Fenster, sie sind mit Perfektion untadelig ausgeführt und detailliert, mangeln aber jeder Inspiration.Im übrigen mangelt es auch an ökologischem Verantwortungsbewußtsein, denn das Öko-Etikett erwirbt man nicht, indem ein paar Liter Regenwasser gesammelt und zur Toilettenspülung verwandt werden.Heiz- und Kühlbedarf sind die gewichtigen Kriterien, die dem Bauherrn jedoch keine besondere Anstrengung wert war - anders als beim selbstgenutzten Nachbarhaus.

Es ist sicher ein besonderes Pech, daß sich der Isozaki/Lehmann-Bau neben dem Piano-Gebäude behaupten muß, die kalte Glätte der Volksbank neben der fein ziselierten, in warmen Tönen schmeichelnden debis-Fassade.Wo Lehmann Ränder und Kanten mit Metalleisten einfassen muß und der Baukörper wie aus Sperrholz gezimmert aussieht, ließ Piano für seine Keramikfassade Sonderbauteile für Ecken und Kanten pressen, und schon gewinnt die Fassade Tiefe und materielle Kraft.Charme ist keine Geldfrage und, das wird ebenfalls deutlich, die Architekten spielen doch in verschiedenen Klassen.Piano hatte es allerdings etwas leichter, denn das debis-Gebäude macht dem Passanten immerhin noch diverse Angebote, vom Schlüsselanhänger mit dem Stern bis zur Nobelkarosse, vom Brokkoliauflauf bis zum Last-Minute-Ticket, bietet Architekturerlebnis in der kathedralenartigen Halle und Erbauliches in der Kunstgalerie.Im monofunktionalen Nachbarhaus hingegen hat der Passant nichts zu suchen.Dem Fußgänger zeigt die neue Volksbank-Zentrale mit ihren hermetischen Bürofronten und der introvertierten Kantine ohnehin die kalte Schulter.

Wenn Architekten schon von "Philosophie" reden, dann sollten sie damit nicht euphemistisch ihre profanen Überlegungen zur Größe der Keramikplatten oder zur "Wiederauferstehung des Senkklappfensters" zu adeln versuchen, sondern sich über die Bedeutung ihrer Architektur und deren Wirkung auf die menschliche Existenz Gedanken machen.Architektenarbeit hat immer auch ein Stück positive Utopie zu sein, menschengerechte Gestaltung einer Welt, die von selbst nicht danach ist.Die technisch makellose Einhausung der vorgegebenen Nutzung als Auftragserfüllung kann nicht genügen.Kein überzeugender Auftakt also, dieser "Palazzo" (Isozaki), für den designierten Publikumsmagneten Potsdamer Platz.

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